28.03.2021 6. Sonntag der Passionszeit - Palmarum

28.03.2021 6. Sonntag der Passionszeit - Palmarum

Predigt: Hebräer 11:1-2,8-12,39-40, 12:1-3 ZB

1 Der Glaube aber ist die Grundlegung dessen, was man erhofft, der Beweis für Dinge, die man nicht sieht.
2 In diesem Glauben ist den Alten ihr Zeugnis ausgestellt worden.
8 Durch Glauben gehorchte Abraham, als er berufen wurde, und brach auf an einen Ort, den er als Erbe empfangen sollte; er brach auf, ohne zu wissen, wohin er kommen würde.
9 Durch Glauben wanderte er aus ins Land der Verheissung, ein Land, das ihm fremd war, und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheissung.
10 Denn er wartete auf die Stadt mit den festen Fundamenten, deren Planer und Erbauer Gott ist.
11 Durch Glauben empfing auch Sara als Unfruchtbare die Kraft, Nachkommenschaft zu begründen trotz ihrem hohen Alter, weil sie den für treu erachtete, der die Verheissung gegeben hatte.
12 Darum sind auch aus einem Einzigen und gar von einem, der nicht mehr zeugungsfähig war, Nachkommen hervorgegangen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres, den niemand zählen kann.
39 Und sie alle haben, auch wenn sie aufgrund des Glaubens Zeugen geworden sind, die Verheissung nicht erlangt.
40 Denn Gott hat für uns etwas Besseres vorgesehen: Sie sollten nicht ohne uns ans Ziel gebracht werden.
1 Darum wollen denn auch wir, die wir von einer solchen Wolke von Zeugen umgeben sind, alle Last ablegen und die Sünde, die uns so leicht umgarnt. Wir wollen mit Ausdauer laufen in dem Wettlauf, der noch vor uns liegt,
2 und hinschauen auf den, der unserem Glauben vorangeht und ihn vollendet, auf Jesus, der im Blick auf die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldet, die Schande gering geachtet und sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat.
3 Denkt doch an den, der von Seiten der Sünder solchen Widerspruch erduldet hat, damit ihr nicht müde und mutlos werdet.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,

mit dem Palmsonntag verbinden wir eine ganz bestimmte Begebenheit im Leben von Jesus. Auf einem Esel reitet er nach Jerusalem. Die Menschen jubeln ihm zu. Und sie breiten vor ihm Mäntel aus. Sie legen ihm quasi einen roten Teppich. Über ihn und vor ihm schwenken sie Palmbuschen.

Das ist ein sehr eindrückliches Bild, das vor allem in den katholischen Pfarrgemeinden jedes Jahr am Palmsonntag anschaulich vergegenwärtigt wird. Manchmal ist sogar ein echter Esel zugegen. Doch so fröhlich dieser Einzug Jesu nach Jerusalem uns auch geschildert wird, so sehr er auch immer wieder an diesem Sonntag veranschaulicht wird, so leicht können wir doch einen falschen Eindruck von dieser Szene bekommen. Denn es ist bei weitem nicht nur der Jubel zu sehen. Hinter den Mauern versteckt beargwöhnen manche Mächtige, religiöse Führer und Strippenzieher der Gesellschaft das Geschehen. Was geht hier vor? Wie ist das einzuschätzen? Am liebsten würden sie Jesus aus dem Weg räumen. Doch warum?

Hier stellt sich eine ganz entscheidende Frage: Wer ist Jesus? Wer ist das, der da auf dem Esel reitet? Diejenigen, die jubeln, meinen, es ist der Messias. Er kommt, um das Volk zu retten. Sie sehen ihn als neuen König, als einen, der nun in aller Macht aufstehen wird und dem Volk alten Glanz und großes Ansehen geben wird. Er wird die Römer aus dem Land weisen und Freiheit und Wohlstand herbeibringen.

Ist das Jesus? Oder ist es der, den die hinter der Mauer Argwöhnenden als einen machtpolitischen Konkurrenten sehen?
Und wer ist Jesus für uns? Wie sehen wir ihn? Welche Bedeutung hat er für uns ganz persönlich?

Eine Antwort auf diese Frage möchten uns die Worte aus dem Hebräerbrief geben. Was sehen wir? Diese Frage beschäftigt uns Menschen immer wieder. Was sehen wir, wenn wir auf Jesus blicken? Was sehen wir, wenn wir ihn auf dem Esel nach Jerusalem reiten sehen? Was sehen wir, wenn wir unsere Welt anschauen, die Situationen, in denen wir leben?

Sehen wir Jesus wie die Menschen damals? Sehen wir in ihm den neuen König, den Befreier? Oder sehen wir ihn als Konkurrenten, als einer, der die Leute einfängt mit falschen Versprechungen?

Gerade in unserer Zeit sind wir Menschen so geprägt, dass wir auf das schauen, was wir vor Augen haben. Viele Menschen glauben nur, was sie mit eigenen Augen sehen. Viele Menschen verlassen sich nur auf das, was messbar ist, was man belegen kann, was hieb- und stichfest ist. Aber mal ganz ehrlich: Was ist denn schon so? Sind wir schon am Ende aller Erkundungen angekommen? Wissen wir genau, wie alles funktioniert? Haben wir das Leben fest in der Hand? Oder müssen wir nicht auch zugeben, dass da nur einmal ein kleines unsichtbares Virus kommen muss, und schon wirft uns das aus der Bahn?

Der Glaube wird von vielen Menschen heutzutage belächelt. Das ist etwas, was nicht sein kann. Oder: Das können wir nicht beweisen. Und in der Tat geht es beim Glauben eben nicht um die rein äußerlichen Dinge. Es geht hier nicht allein um das, was wir sehen. Beim Glauben geht es auch darum, dass wir hinter die Kulissen blicken. Doch das ist eigentlich gar nicht so leicht möglich. „Der Glaube aber ist die Grundlage dessen, was man erhofft, der Beweis für Dinge, die man nicht sieht.“ Das ist ein gewaltiger Satz. Und das ist auch ein gewagter Satz. So werden manche denken.
Aber damit sind wir wiederum bei der Frage: Wie sehe ich Jesus?

Und damit stellt sich auch die Frage: Wenn wir auf Jesus schauen, wen sehen wir? Was sehen wir da? Wir werden an vieles denken, was uns schön vorkommt, was uns erfreut. Doch von einem möchten wohl viele Menschen am liebsten wegschauen: vom Kreuz. Schauen wir mit unserem Blick dieser Welt auf das Kreuz, so sehen wir kein schönes Bild auf diesem Hügel Golgatha. Dort begegnen uns die Grausamkeiten des Lebens. Menschen, die voll Hass und Habgier Menschen ans Kreuz nageln, ihre Freude am Leiden und Tod von anderem haben. Hier auf Golgatha begegnet uns der Tod in seiner grausamsten Weise. Und der, der eben noch auf dem Esel nach Jerusalem geritten ist, den so viele als neuen König bejubelt hatten, der stirbt. Und das bedeutet doch: Er ist gescheitert! Er hat versagt! Er ist am Ende! Ja, das ist das, was die Augen dieser Welt sehen. Wenn wir nur diese Fakten vor Augen haben, dann sehen wir auf Golgatha in der Tat eine ganz große Niederlage. Dann ist alles aus und vorbei. Dann wäre auch unser Glaube nichts. Aber: „Der Glaube ist die Grundlage dessen, was man erhofft, der Beweis für Dinge, die man nicht sieht.“ Es geht hier noch einmal um eine ganz andere Wirklichkeit. Und diese fordert uns und unser Leben heraus. Blicken wir nur auf das Kreuz als Werkzeug des Todes, schauen wir nur auf die Leiden und die Schmerzen und den Tod, dann bleibt alles aussichtslos.

Doch der Hebräerbrief führt uns zu einer anderen Sicht der Dinge. Der Glaube lebt vom Vertrauen auf Gott. Der Glaube lässt uns mutig werden. Der Glaube leitet uns Wege, die zunächst ins Ungewisse zu führen scheinen. Der Glaube lässt uns hinter die Kulissen blicken.

Auffällig oft begegnet uns heute das Wort Verheißung. Und dieses Wort zeigt uns, dass etwas vor uns liegt, was noch nicht zu sehen ist. Und doch verbindet sich mit diesem Wort ein Ziel, ein Ziel, das eine andere Sicht der Welt mit sich bringt. Aber bis es so weit ist, braucht es eine Wegstrecke.

Auf der Wegstrecke unseres Lebens begegnen uns die vielen Menschen, die bezeugen können, dass der lebendige Gott ihr Leben verändert hat, die uns berichten können, wie Gott ihrem Leben eine neue Richtung gegeben hat. Und vielleicht sind wir selber diese Menschen, die von den Erfahrungen mit dem lebendigen Gott anderen erzählen können. Und das müssen gar nicht einmal so außergewöhnliche Dinge sein. Und doch geht es darum, dass der Glaube Türen geöffnet hat, die ursprünglich nicht im Blick waren.

Der Verfasser des Hebräerbriefes zeigt uns auf, dass es durch die Geschichte immer wieder Menschen gegeben hat, die sich auf die Verheißungen Gottes eingelassen haben, neue Wege gewagt haben und dabei erfahren haben, wie Gott sie geführt hat.

Exemplarisch haben wir heute von Abraham vernommen. Er hatte sich niedergelassen, besaß große Viehherden, war also ein reicher Mann seiner Zeit. Und er war ein frommer Mensch. Vor seinen Augen stand zwar sein Reichtum. Doch als er den Auftrag hörte, er solle aufbrechen und alles hinter sich lassen und in ein Land ziehen, das seine neue Heimat werden sollte, da hätte er sagen können: Das macht keinen Sinn. Ich habe hier alles, was ich brauche. Warum soll ich das hinter mir lassen? Und dennoch ließ er sich auf diesen Auftrag ein. Er spürte, dass Gott zu ihm gesprochen hatte. Und er hatte die Verheißungen vernommen, dass er in ein neues Land ziehen solle und eine große Nachkommenschaft haben werde. Das war nach menschlichen Vorstellungen bei seinem Alter und dem Alter seiner Frau Sara zwar unmöglich. Doch wider allen Augenschein ließ er sich auf Gottes Weisung ein. Er vertraute Gott.

Der Hebräerbrief führt auch noch andere Beispiele aus der „Wolke der Zeugen“ auf. Er berichtet beispielsweise auch von einem Mann, der einfach im Vertrauen auf Gott ein Schiff baut. Auch das erscheint widersinnig. Und doch ist das die Rettung. Und so reihen sich all diese Zeugen ein in die Geschichte des Glaubens. Und dennoch bleibt immer etwas offen.

Abraham erwartete und sehnte sich nach einer „Stadt mit den festen Fundamenten, deren Planer und Erbauer Gott ist.“ Das mag ein Hinweis auf Jerusalem sein. Doch letztlich führt uns die Johannesoffenbarung in der wunderbaren Vision des Johannes das neue Jerusalem am Ende der Zeiten vor Augen. Dort, in dieser neuen Stadt wird es keinen Tod, kein Leid, keinen Schmerz mehr geben. Dann wird alles ganz neu sein.

Die Grundlage dafür liegt aber in dem Weg, den Jesus gegangen ist. Er hat all unsere Schuld und Sünde getragen, hinauf ans Kreuz, und dort mit sich sterben lassen. Er hat diesen Weg der Leiden und Schmerzen nicht gescheut. Er hätte ihn nicht auf sich nehmen müssen. Aber es war seine Entscheidung, sein Leben für uns zu geben, damit wir leben können. Und am Ende steht die Botschaft von Ostern. Christ ist erstanden.

Glaubst Du das? Das ist die Frage, die sich uns heute ganz konkret stellt. Es ist die Frage, wer Jesus für uns ist.

Immer wieder bekennen wir in unseren Gottesdiensten mit dem Glaubensbekenntnis unseren Glauben. Und immer wieder höre ich auch von Menschen, dass sie das eine oder andere dieses Bekenntnisses nicht nachvollziehen können. Da sperrt sich ihr Verstand. Es scheint dem zu widersprechen, was wir sehen können. Von daher stellt sich uns heute die Frage: Kann ich hinter diesen Worten entdecken, dass es um mehr geht, als ich sehen kann? Glaube ist immer auch ein Wagnis. Kann ich mich auf dieses Wagnis einlassen? Bin ich bereit, die andere Dimension des Lebens zu entdecken? Und Jesus gehört zu dieser anderen Dimension. Denn hier kommt uns Gott entgegen und tritt in unsere Sphäre ein. Er begegnet uns und zeigt uns, dass wir nicht resignieren müssen angesichts mancher schwerer Dinge in dieser Welt. Der Tod hat nicht das letzte Wort.

Glaubst Du das? Vermutlich sagen manche von uns: Mal mehr, mal weniger. Vielleicht sagt auch jemand: Ich kann das nicht glauben. Und das mag verständlich sein, weil unsere Augen uns immer wieder nur das zeigen wollen, was vor uns ist.

Aber Jesus möchte uns den Blick öffnen. Denn Jesus kann uns bezeugen, dass der Tod keine Macht mehr hat. Bei ihm ist alles Scheitern zu Ende, denn er hat es getragen. Jesus kommt zu uns. Er kommt auf einem Esel. Und damit lässt er Verheißungen aus dem Propheten Sacharja wahr werden. Nicht das stolze Ross der Herrscher dieser Welt ist sein Reittier. Er baut nicht auf die vergänglichen Symbole dieser Welt. Gott ist in den Schwachen mächtig. Er ist bei Dir, gerade wenn Du an die Grenzen Deines Lebens kommst. Glaubst Du das? Lässt Du Jesus in Dein Herz einziehen? Wage es ganz neu! Es mag widersinnig klingen, aber es ist das Leben für Dich!

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg