26.12.2020 2. Weihnachtstag

26.12.2020 2. Weihnachtstag

Predigt: Hebräer 1:1-14

1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, 2 hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welten gemacht hat. 3 Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe 4 und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.
5 Denn zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt (Psalm 2,7): »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt«? Und wiederum (2. Samuel 7,14): »Ich werde sein Vater sein und er wird mein Sohn sein«? 6 Und abermals, wenn er den Erstgeborenen einführt in die Welt, spricht er (Psalm 97,7): »Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten.« 7 Von den Engeln spricht er zwar (Psalm 104,4): »Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen«, 8 aber von dem Sohn (Psalm 45,7-8): »Gott, dein Thron währt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Gerechtigkeit ist das Zepter deines Reiches. 9 Du hast geliebt die Gerechtigkeit und gehasst die Ungerechtigkeit; darum hat dich, o Gott, dein Gott gesalbt mit Freudenöl wie keinen deiner Gefährten.« 10 Und (Psalm 102,26-28): »Du, Herr, hast am Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk. 11 Sie werden vergehen, du aber bleibst. Und sie werden alle veralten wie ein Gewand; 12 und wie einen Mantel wirst du sie zusammenrollen, wie ein Gewand werden sie gewechselt werden. Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden nicht aufhören.« 13 Zu welchem Engel aber hat er jemals gesagt (Psalm 110,1): »Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel unter deine Füße lege«? 14 Sind sie nicht allesamt dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit?

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

Weihnachten ist ein bedeutendes Fest. Viel Aufwand und Trubel wird um dieses Fest gemacht. Und ganz besonders am Heiligen Abend stehen die Feierlichkeiten bei vielen Menschen im Mittelpunkt. Oft schließt sich am 1. Weihnachtstag noch eine familiäre Feier an. Am 2. Weihnachtstag ist es dann bei vielen schon wieder ruhiger. Doch da gibt es heute eine gewaltige Botschaft. Die Worte aus dem Hebräerbrief erscheinen uns hochtrabend, schwer zu fassen. Das ist auf den ersten Blick eine andere Botschaft als die so vertrauten Worte des Weihnachtsevangeliums. Das klingt alles wenig beschaulich. Und vielleicht fragen wir uns, was das alles mit Weihnachten zu tun haben soll.

Trotzdem hilft auch hier ein Blick in das Weihnachtsevangelium nach Lukas. Führen wir uns die einzelnen Szenen noch einmal vor Augen. Und so entdecken wir zwei ganz entscheidende Gemeinsamkeiten. Im Hebräerbrief hören wir auch von dem Sohn und von den Engeln. Mit diesen bedeutenden Gestalten des Weihnachtsevangeliums und auch vieler Krippendarstellungen können wir die Botschaft des heutigen Tages aufschließen.

„Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben.“ Diese Prophezeiung aus dem Propheten Jesaja finden in den Ereignissen von Weihnachten seine Erfüllung. Im Stall von Bethlehem in der Krippe, da liegt das neugeborene Kind. So hören wir es immer wieder in diesen Tagen. Und das andere ist uns auch vertraut. Da hören wir von dem Engel, der den Hirten auf den Feldern die frohe Botschaft verkündet. „Euch ist heute der Heiland geboren!“ Und die Schar der Engel stimmt in einen großen Lobpreis ein. Der Engel als der große Verkündiger der frohen Botschaft und die Schar der Engel als fröhliche, lobende Gemeinschaft. Das ist Feststimmung pur.

Und vielleicht liegen uns die Engel so sehr, weil sie uns als aktive Gestalten in dem Weihnachtsgeschehen dargestellt werden. Hier, bei den Engeln tut sich etwas. Sie bringen Schwung in die Szene. Und Engel sehen ja auch so liebevoll und anmutig aus. Mit den Engeln können sich auch in unseren Tagen viele Menschen anfreunden. Doch damit verbindet sich eine Gefahr. Die Engel verleiten uns sehr leicht dazu, dass wir von der Hauptperson wegschauen. Nicht mehr er steht im Mittelpunkt, sondern die Schar der Engel.

In unserer Zeit gibt es viele Menschen, bei denen so eine Art Engelboom ausgebrochen ist. Auch wenn die Engel nicht so real greifbar sind in unserem Alltag, so erscheinen sie doch vielen Menschen zugänglicher als das Kind in der Krippe. Aber wir dürfen nicht vergessen: Um ihn geht es. Um das neugeborene Kind! Und doch führt uns der Hebräerbrief bereits weiter, über den Stall von Bethlehem hinaus. Er verrät uns, wer dieses Kind ist, das da in der Krippe liegt. Und damit wird deutlich: Hier geht es nicht um ein gewöhnliches Kind. Hier geht es nicht um einen beliebigen Menschen. Hier geht es um den Sohn! Und das ist nicht irgendein Sohn: Mit seinen Worten macht der Hebräerbrief deutlich das Geheimnis von Weihnachten: In diesem Kind ist Gott selbst zu uns gekommen. Er ist in unserer Mitte, mitten unter uns in dieser Welt mit all ihren Herausforderungen und Problemen, mit all ihren Sorgen und Nöten, mit all dem, was uns das Leben schwer werden lässt. In diesem Kind sehen wir den „Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens“. Das sind beeindruckende Worte. Sie zeigen uns, dass in diesem Kind und seinem ganzen Leben unsere Zukunft verborgen ist.

Aber warum führt uns der Hebräerbrief all das vor Augen? Was wollen diese gewaltigen Worte und diese vielen Belege aus dem Alten Testament uns sagen? Hier geht es darum: In diesem Kind erfüllen sich die Weissagungen der Propheten. Gott hält sein Wort. Er will mit uns Menschen sein und uns Zukunft und Perspektive für unser Leben schenken.

Mitten in schwierigen Zeiten will der Verfasser des Hebräerbriefes das wieder ins Gedächtnis rufen. In der zweiten Generation der ersten Christen war die anfänglichen Begeisterung für den Glauben nicht mehr überall so lebendig. Mancherorts bremsten die Anfeindungen und beginnenden Verfolgungen das christliche Leben bereits aus. Manch einer zog sich zurück. Lieber nicht so tief eintauchen, das kann gefährlich werden. Lieber unbeschwert leben können. So dachten manche.

Auch in unseren Tagen gibt es mancherlei Schwierigkeiten. Auch bei uns ist es nicht so einfach ist der aktuellen Lage zurechtzukommen. Zwar geht es hier um andere Fragen, die unser Leben belasten. Aber eines bleibt: Die Frage: Wie kann ich bestehen in dieser Zeit? Wie bekomme ich ein angenehmes Leben hin?

Wir hören heute eine bedeutende Botschaft: Mit dem Kind von Weihnachten, mit dem, der da geboren worden ist, der den Weg von uns Menschen gegangen ist, der Leben verändert hat und auch den Weg des Leides und der Schmerzens dieser Welt gegangen ist, ist eine neue Zeit angebrochen. Und diese neue Zeit ist eine tiefgreifende Veränderung für uns und unser Leben. Es ist ein neues Leben, das geprägt ist von der Befreiung, von der Reinigung, von der Heilung unserer Beziehungen. Es geht um eine neue Gerechtigkeit. Das Alte, die vergehenden Mäntel, das, was unserem Leben nicht guttut, das braucht unser Leben nicht mehr zu bestimmen. Wir dürfen mit dem Kind von Weihnachten befreit aufblicken. Wir haben eine Zukunft mit ihm.

Doch da mag der Einwand kommen: Davon sehe ich nichts. Wo ist diese neue Zeit, die angebrochen ist? Sieht bei uns nicht alles aus wie eh und je? Gibt es nicht überall auf dieser Welt Ungerechtigkeit und Unfrieden? Müssen nicht so viele Leid erdulden? Gibt es nicht so unendlich viel Belastendes?

Da mache Dich auf, wie die Hirten. Höre auf die Botschaft des Engels. Brich auf, geh und komm in den Stall. Schau hin und sieh! Da ist er! Mitten unter uns. Ja, bei uns. Und schau nicht nur hin, sondern nimm ihn auf in Dein Herz! Lass Dich verändern! Gib das ab, was in Deinem Herzen aufbegehrt, was Dich ängstigt, was Dir Unfrieden macht. Lass Dich auf dieses Kind ein, auf diesen uns Nahe kommenden Gott, der herunterkommt zu uns Menschen, sich auf uns einlässt und mit uns sein möchte. Ihm dürfen wir bringen, was uns beschwert. Er möchte uns frei machen, uns neu aufblicken lassen. Und das gilt auch in schweren Zeiten. Seine neue Nähe zeigt uns, dass wir nicht allein durch diese Welt gehen. Seine Engel, seine Boten, und das können auch andere Menschen sein, und das können auch wir selbst sein, können die befreiende Botschaft des Gott mit uns weitergeben in Wort und Tat.

Engel sind dienstbare Geister, sagt der Hebräerbrief. Sie führen und leiten uns zu dem hin, der gekommen ist. Aber über allem steht der, der da mitten unter uns ist, der uns nicht allein lässt, der uns Erben werden lässt. Denn bei ihm erben wir das Leben, das trägt, das ermutigt, das tröstet, das frei ist von den Begrenzungen dieser Welt, selbst wenn sie uns noch so harrt treffen. Schau ihn an! Er will Dich aufrichten und stärken! Sein Wort ist Quelle des Lebens.

Frohe Weihnachten!
Ihr Pfrarrer Carsten Klingenberg