20.12.2020 4. Advent

20.12.2020 4. Advent

Predigt: 1. Mose 18:1-2,9-15

1 Und der HERR erschien Abraham im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2 Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde. 9 Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10 Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11 Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12 Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt! 13 Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14 Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15 Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

Liebe Freunde,

jedes Jahr zu Weihnachten gibt es ganz viele Wünsche. Kinder schreiben ihre Wunschlisten in der Hoffnung, dass sie all das, was aufgelistet ist, bekommen. Und dann sind Eltern und Verwandte dabei, in der Adventszeit die Besorgungen zu machen. Dann beginnt der große Kaufrausch, den wir Jahr für Jahr erleben. Aber was ist, wenn es nicht das gibt, was man sich erträumt hat?

Aber nicht nur materielle Wünsche stehen im Raum. Viele Menschen wünschen sich zu Weihnachten, dass man mit seinen Lieben fröhlich vereint zusammen sein kann. Manch einer wünscht sich, dass es einen Weihnachtsfrieden geben kann, dass die Familie herausfindet aus ihrem alltäglichen Streit, dass ein lieber Mensch, der eine ganze Menge  mitgemacht hat, doch wieder zu Kräften kommen kann, dass sich Sorgen und Nöte legen, damit einfach einmal Frieden sein kann. Unzählige Erwartungen verbinden sich mit dem Weihnachtsfest. Und doch wurden schon so oft Erwartungen enttäuscht. Da war dann eben doch nichts mit strahlendem, glitzerndem Fest. Da war dann doch dieser Unfrieden. Da machte sich Einsamkeit breit. Da blieben die Sorgen und Nöte, die Ängste, die auch an einem Fest nicht wegzudenken waren. Immer wieder hört man von Menschen, die Angst vor Weihnachten haben. Und das hat seinen Grund. Da stehen zu viele Erfahrungen entgegen. Da hat man schon zu viel durchgemacht, negative Erlebnisse aus den Vorjahren. Was soll denn schon noch kommen?

Unerfüllte Wünsche – das ist ein großes Thema zu Weihnachten. Unerfüllte Wünsche – wie gehen wir mit ihnen um? Das ist eine Frage durch alle Zeiten der Menschheit. Und wenn man sich noch so sehr auf etwas gefreut hat, wenn man alle Hoffnung darein gesetzt hat, dass sich nicht nur die Wünsche, die man in sich trägt, erfüllen, sondern auch das, was einem versprochen worden ist, was einem zugesagt worden ist. Doch letztlich bleibt das alles aus. Da arrangieren sich Menschen mit ihrem Schicksal. Andere resignieren. Sie haben nichts mehr zu lachen. Da hat sich eben ein bitterer Beigeschmack eingestellt. Aber was soll’s! Es ist halt so. Da wird sich auch nichts dran ändern.

Unerfüllte Wünsche – das ist auch das Thema von Abraham und Sarah. Einst – als er noch jung war – hatte Abraham eine außergewöhnliche Begegnung. Es war eine Begegnung mit Gott, die sein Leben veränderte – und damit auch das von Sarah. Sie sollten beide aufbrechen, neue Schritte tun, das Alte und Vertraute hinter sich lassen. Das war ein Risiko. Keiner lässt sich so einfach auf große Schritte ins Unbekannte ein. Da gehört Mut dazu. Da braucht es Gewissheit und Entschlossenheit, dass der neue Weg ein guter ist. Abraham und Sarah hatten es sich gut eingerichtet. Ihnen ging es blendend. Sie hatten Wohlstand erlangt. Was fehlte ihnen? Warum sollten sie alle Zelte abbrechen und sich auf diesen Weg ins Ungewisse machen? Alles nur, weil Abraham Gott begegnet ist? Und dann diese Verheißungen, diese Versprechungen: Du wirst Nachkommen haben und ein großes Volk werden. Und da wird für Dich und die Deinen Land sein, Lebensraum, in dem es Euch gut gehen wird. Wer sagt denn, dass sich das erfüllen wird? Wer garantiert denn, dass das alles stimmt und sich bewahrheiten wird? Nur, weil es Gott gesagt hat!?
Da gehört schon ganz viel Gottvertrauen dazu, sich aufzumachen, seine Heimat hinter sich zu lassen und den Schritt ins Ungewisse zu wagen. Und was hat’s gebracht? Abraham und Sarah sind alt geworden. Sehr alt! Nachkommenschaft! Damit ist wohl nichts! Da geht doch nichts mehr. Ja, sie hatten einen Ausweg versucht, Leihmutterschaft, die Magd sollte es richten. Und in der Tat, da gab es ein Kind, Isamel. Aber ein eigenes Kind für das alte Paar, für Abraham und Sarah, da wird nichts mehr draus. Was sollen also die Verheißungen? Was soll man da auf diesen Gott bauen, wenn doch nichts draus wird? Unerfüllte Wünsche! Das lässt abstumpfen. Da wird man müde. Nichts zum Lachen!

Aber mal Hand aufs Herz! Rechnen wir überhaupt damit, dass Gott in unser Leben tritt? Glauben wir, dass er unser Leben verändern kann? Und wenn wir in diesen Tagen auf das Weihnachtsfest zugehen, sind wir davon überzeugt, dass das alles etwas mit uns ganz persönlich und mit unserem Leben zu tun haben kann? Oder nehmen wir dieses Fest einfach nur so mit wie manch andere Feste? Man macht es halt.

Doch die Botschaft an Weihnachten ist eine andere, eine sehr direkte, eine sehr konkrete: Gott tritt in unser Leben. In mein und in Dein Leben! Das mussten auch Abraham und Sarah erfahren. Und das geschieht mitunter ganz unerwartet und auf eine Weise, mit der wir nicht rechnen.

Mitten in der prallen Mittagshitze kommen drei Männer zu den Zelten von Abraham und Sarah. In jener Zeit war das Herbergswesen nicht ausgebaut. Da konnte keiner mit einem Hotel oder Restaurant rechnen. Von daher spielte die Gastfreundschaft eine große Rolle. Man nahm Reisende auf, gab ihnen Verpflegung, unterhielt sich mit ihnen. Und das waren in der Regel wildfremde Menschen.

Abraham sieht die drei Männer. Er geht auf sie zu, um sie zu empfangen. Aber er weiß nicht, wer sie sind. Uns dagegen wird verraten: Hier handelt es sich um Gott. Gott persönlich kommt in den drei Männern Abraham entgegen. Gott begegnet ihm und tritt ganz neu in sein  Leben. Die frühe Christenheit sah in den drei Männern die Dreieinigkeit. Wie dem auch sei, diese Begegnung hat es in sich. Hier geschieht ein Wunder, im wahrsten Sinne des Wortes. Hier wendet sich eine Situation ganz grundlegend. Sie wendet sich dadurch, dass Gott persönlich ins Leben von Abraham und Sarah tritt.

„Wenn wir übers Jahr wiederkommen, dann werdet Ihr einen Sohn haben.“ Was ist das für eine Nachricht! Im ersten Augenblick kann man sogar denken: Was muss diese Nachricht für eine Qual für diese alten Menschen sein! Da spricht jemand ausgerechnet die große Wunde an. Und das ist ja ohnehin nicht mehr realistisch. Da geht doch nichts mehr.

Sarah lacht. Und ich kann mir vorstellen, dass es ein bitteres Lachen ist. Die haben gut reden. Da geht nichts mehr. Darunter leiden wir. Das war nichts mit dieser Verheißung einer großen Nachkommenschaft. Was soll’s noch! Aber bitte rührt doch jetzt nicht in unseren Wunden herum!

Aus Sarah ist es wohl herausgeplatzt. Jedenfalls ist ihr Lachen aufgefallen. Die drei Männer haben sie erwischt. Und sie stellen Sarah zur Rede. „Du hast gelacht!“ Schüchtern weicht sie zurück und bestreitet. Doch die Drei lassen sich nichts vormachen. „Sarah, wir haben Dich erwischt. Du hast gelacht!“ Da kommt Sarah nicht mehr aus.

Aber das kann uns auch passieren. Manchmal gibt es Nachrichten, die uns so unwahrscheinlich erscheinen, dass wir nur noch ein Lachen hervorbringen. Und mache Menschen lachen, wenn sie hören, dass jemand an Gott glaubt. „Was für ein Hinterwäldler muss das sein“, denken sie. „Vertraust Du auf Gott, so bist Du verloren. Da kannst Du lange warten!“

Ja, lange warten, das mussten Abraham und Sarah auf jeden Fall. Und immer wieder können Zweifel kommen, ob das auch wirklich der richtige Weg ist mit Gott. Doch mögen andere auch darüber lachen, mögen Menschen sich lustig machen über diejenigen, die „noch“ an Gott glauben, wenn Gott in Dein Leben tritt, dann kommt Veränderung.

Unerfüllte Wünsche trugen Abraham und Sarah in sich. Und auch wir tragen so oft unerfüllte Wünsche in uns. Weihnachten ist aber keine Wunschbox. Ich schreibe einen Wunschzettel und dann steht am Heilig Abend alles unter dem Baum. Nein, so geht das nicht.

Unser Leben ist ein Weg. Und wir sind unterwegs, auf das Ziel hin. Vieles kann uns widerfahren. Aber wir dürfen das Ziel nicht aus den Augen lassen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Gott mit uns ist. Er tritt immer wieder in unser Leben. Und er will unser Leben verändern.

Heute am 4. Advent steht eigentlich eine andere Frau im Mittelpunkt. Es ist Maria. Sie ist eine Wegbereiterin für das Kommen des Herrn. Sie ist seine Mutter. Doch auch sie hatte eine außergewöhnliche Begegnung, eine Begegnung mit einem Engel. Und auch sie hört die Botschaft, die Sarah vernommen hat. Und auch bei ihr geht es darum, dass sich die Verheißungen Gottes erfüllen. Der, den sich die Menschen so herbeigesehnt haben, den Messias, der das Leben grundlegend verändern wird, den soll sie zur Welt bringen.

Verheißungen können sich erfüllen, auch wider den Augenschein. Maria und Sarah haben gemeinsam, dass in ihnen sich Gottes Verheißungen bewahrheiten. Sarah wird einen Sohn zur Welt bringen. Sein Name wird sein: Isaak – Lachen. Der Name ist Programm. Sarah hatte gelacht, weil sie diese Nachricht, die die drei Männer brachten, lächerlich fand. Da war kein Vertrauen mehr in die Verheißungen. Es war einfach so unwahrscheinlich. Aber nun kann sie lachen, weil Gott ihr Leben verändert hat. Der trostlose Blick in die Zukunft ist einer neuen Perspektive gewichen. Mit dem Kind sind die Verheißungen erfüllt und es tut sich eine neue Zukunft auf. Und das lässt auch uns ganz neu und anders lachen.

Mitten in unserem Alltag, in unseren Weihnachtsvorbereitungen, in unseren Sorgen und Nöten, Ängsten und Zweifeln möchte der lebendige Gott in unser Leben treten. Er nimmt unsere unerfüllten Wünsche, die auch an uns nagen können, ernst. Und er möchte uns zeigen: Im Stall von Bethlehem haben sich die Verheißungen erfüllt. Gott ist Mensch geworden. Lassen wir uns auf diese Botschaft ein. Nicht aus der Zuschauerperspektive sollen wir sie betrachten. Diese Botschaft will an uns heran, in unser Leben, in unser Herz. „Fürchte Dich nicht!“ sagen die Männer zu Sarah. Ja, fürchtet Euch nicht! Das ist die Engelsbotschaft auch an Weihnachten. Gott ist nahe. Er will mit Euch sein. Vertraut ihm und seinen Verheißungen. So könnt ihr ihn mit einem freudigen Lachen bei Euch empfangen!

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg