13.06.2021 2. Sonntag nach Trinitatis

13.06.2021 2. Sonntag nach Trinitatis



Predigt: 1. Korinther 14:1-12,23-25

1 Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet! 2 Denn wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht ihn: im Geist redet er Geheimnisse. 3 Wer aber prophetisch redet, der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung. 4 Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde. 5 Ich möchte, dass ihr alle in Zungen reden könnt; aber noch viel mehr, dass ihr prophetisch redet. Denn wer prophetisch redet, ist größer als der, der in Zungen redet; es sei denn, er legt es auch aus, auf dass die Gemeinde erbaut werde. 6 Nun aber, Brüder und Schwestern, wenn ich zu euch käme und redete in Zungen, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht mit euch redete in Worten der Offenbarung oder der Erkenntnis oder der Prophetie oder der Lehre? 7 So verhält es sich auch mit leblosen Instrumenten, es sei eine Flöte oder eine Harfe: Wenn sie nicht unterschiedliche Töne von sich geben, wie kann man erkennen, was auf der Flöte oder auf der Harfe gespielt wird? 8 Und wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zur Schlacht rüsten? 9 So auch ihr: Wenn ihr in Zungen redet und nicht mit deutlichen Worten, wie kann man wissen, was gemeint ist? Ihr werdet in den Wind reden. 10 Es gibt vielerlei Sprachen in der Welt, und nichts ist ohne Sprache. 11 Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich ein Fremder sein für den, der redet, und der redet, wird für mich ein Fremder sein. 12 So auch ihr: Da ihr euch bemüht um die Gaben des Geistes, so trachtet danach, dass ihr sie im Überfluss habt und so die Gemeinde erbaut. 23 Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen? 24 Wenn aber alle prophetisch redeten und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein, der würde von allen überführt und von allen gerichtet; 25 was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar, und so würde er niederfallen auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

Es gibt Leute, die träumen von lebendigen Kirchengemeinden. Und sie wünschen sich volle Kirchen, lebendige Gottesdienste, tolle Gemeinschaft, Predigten, die einem ganz nah gehen, die etwas mit dem Leben zu tun haben, die verständlich sind, eben nicht so abgehoben.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sagen: Kirche ist langweilig. Das hat nichts mit meinem Leben zu tun. Das ist so veraltet, eben megaout. Was dort gesagt wird, das verstehe ich nicht. Das ist Insidersprache. Eben nichts für mich.

Aber da müsste doch die junge christliche Gemeinde in Korinth für beide Seiten das Richtige gewesen sein. Da war wirklich etwas geboten. Da kamen viele Leute zusammen, sogar ganz unterschiedliche Menschen, Arme und Reiche, Einheimische und Fremde, Junge und Alte! Und miteinander hat sie alle diese Botschaft von Jesus Christus mitgerissen und begeistert. Überhaupt muss das Gemeindeleben, müssen die Gottesdienste begeisternd gewesen sein. Und dann gab es da richtige Stars, Starprediger, die enthusiastisch das Evangelium bezeugen konnten. Und dazu gab es dann die verschiedenen Fanclubs. Die einen haben diesen Prediger super gefunden, die anderen einen anderen.

Und da sind wir nun bei dem Problem, um das es Paulus geht. Ja, Begeisterung ist wunderbar. Das Wirken des Heiligen Geistes macht Menschen, macht Gemeindeleben lebendig. Doch wenn es zur Gruppenbildung kommt, wenn man nicht mehr die gleiche Sprache spricht, dann wird es gefährlich. Dann kann es Risse in der Gemeinde geben. Dann kann es zu Spaltung kommen. Und dann kann diese Begeisterung ganz schnell zu einem Ende kommen.

Deshalb geht es Paulus darum, dass die Menschen in der christlichen Gemeinde von Korinth wieder zusammenfinden. Und dabei geht es ihm nicht um eine Uniformität, alle müssten in gleicher Weise ihren Glauben leben. Nein! Vielfalt darf sein. Aber es geht um die Herzenshaltung. Worum geht es mir? Soll die Gemeinde, soll der Glaube so sein, wie ich es mir vorstelle? Hauptsache, ich komme auf meine Kosten? Dann würde die Gemeinschaft aber sehr schnell zerbrechen lassen. Denn dann würde jeder nur noch seinen eigenen Weg gehen.

Paulus zeigt an drei Beispielen, wie es nicht sein kann und was stattdessen geschehen soll:
Sein erstes Bild ist er selbst. Stellt Euch vor, sagt Paulus: Ich komme zu Euch nach Korinth und würde nur in Zungen reden. Dann wäre der Besuch umsonst.
Halt! Stopp! Was sagt er da? Zungenrede!? Was ist das? So mögen jetzt vielleicht einige fragen. Vielleicht kennen wir das: Wir sind von etwas so begeistert, dass wir es nicht mehr in Worte fassen können. Vor lauter Begeisterung kommt nur etwas Unverständliches aus uns heraus. Aber das bringt niemandem außer einem selber etwas. Das Phänomen der Zungenrede gibt es immer wieder in der Geschichte der Christenheit. Vor allem in den Freikirchen wird es heute praktiziert. Da sprechen die Menschen in Sprachen, die sie selber nicht kennen. Paulus sagt nun: Das gehört ins private Zimmer. Das kannst Du zuhause machen. Da kannst Du begeistert auf diese Weise Gott loben. Aber in der Gemeinde, in der Gemeinschaft, da sollte Dein Reden verständlich sein. Denn die anderen sollen auch etwas davon haben. Und da wird uns auch deutlich: Hier geht es nicht nur um das Phänomen Zungenrede. Es geht generell darum, dass verständlich geredet wird. Die tollsten und kompliziertesten theologischen Gedanken bringen nichts, wenn die meisten abschalten, weil es ihnen zu kompliziert wird und sie sich fragen: Was hat das mit meinem Leben zu tun? Das erste Beispiel des Paulus zielt also darauf ab: Redet Klartext!

Beim zweiten Beispiel greift Paulus auf Musikinstrumente zurück. Ich kann mir also einfach eine Gitarre schnappen und irgendwie die Saiten anschlagen. Oder ich setze mich ans Klavier und klimpre einfach so dahin.  Die Instrumente geben zwar ihre Töne von sich, aber man kann es nicht anhören. Vor allem, wenn das Instrument auch noch verstimmt ist, dann ist alles schauerlich. Worauf kommt es also an? Musik wird dann schön, wenn  die Instrumente gestimmt sind und man in Harmonie miteinander spielt, wenn man im Einklang ist. Und darum geht es auch Paulus: Hört aufeinander und lebt in Harmonie zusammen!

Und das dritte Beispiel ist auch wieder aus dem Leben gegriffen. Paulus sieht vor sich die Stadt Korinth, eine Hafenstadt, in der Menschen aus allen möglichen Ländern zusammentreffen. Und das spiegelt sich auch in der christlichen Gemeinde wider. Da kommen Menschen, die von weither sind und eine ganz andere Sprache sprechen. Und auch diese Menschen müssen sich in der christlichen Gemeinde zuhause fühlen. Auch sie müssen verstehen, worum es geht. Paulus sagt also: Seid offen für alle Menschen! Schließt niemanden aus!

Und so führt er uns wieder zurück zum ersten Pfingsten, als der Heilige Geist die Freunde Jesu erfüllte. Die Menschen, die damals am Haus dieser kleinen Gemeinschaft vorübergingen, diese Menschen, die auch ganz unterschiedliche Sprachen hatten, die verstanden auf einmal, was im Haus los war. Denn die Freunde Jesu sprachen die eine Sprache Gottes, die Sprache der Liebe, die alle Menschen verstehen können.

Und so ermahnt Paulus die Christinnen und Christen damals in Korinth wie auch uns heute: Strebt nach der Liebe! Sprecht die Sprache Gottes, die Sprache der Liebe! Denn das bedeutet auch: Bleibt nicht bei Euch stehen! Denke nicht nur an Dich selbst! Freu Dich in Deinem Glauben nicht nur, dass Gott Dich liebt, sondern sieh auch, dass andere ebenso von Gott geliebt sind. Ihr gehört zusammen!

Und so kann Gemeinde Gottes gebaut werden, so kann Kirche lebendig werden: Sehen wir alle, die kommen, als von Gott Geliebte Menschen. Machen wir keine Unterschiede! Egal, ob arm, ob reich, ob einheimisch, ob fremd, ob gesund, ob krank, egal wie die Menschen aussehen und was für Wesenszüge sie haben, wir gehören alle zu Gott und sind gleich viel wert.

Und nun kommt noch das Besondere: Gott hat uns alle beschenkt mit Begabungen und Fähigkeiten. Und so können wir uns einbringen in die Gemeinschaft und zu ihrer Lebendigkeit beitragen.
Wir wollen lebendige Gemeinden, begeisternde Gottesdienste auch heute? Dann lasst uns zusammenwirken. Nehmen wir uns gegenseitig wahr mit unseren Begabungen und Fähigkeiten und bringen uns ein. So wird Gemeindeleben lebendig.

Doch dann macht Paulus noch einen Unterschied. Er greift zwei Geistesgaben heraus, die Zungenrede und die prophetische Rede. Und er zeigt uns, worauf es ankommt. Zungenrede ist gut und wichtig, aber sie dient der persönlichen Erbauung. Das ist etwas für mich ganz persönlich. Da ziehe ich mich zurück, um mit Gott allein  zu sein. Das bringt mir etwas. Aber eben auch nur mir.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns nicht nur zurückziehen. In der Gemeinschaft, im Gottesdienst kommt es auf die prophetische Rede an. Was ist denn das? So fragen nun vielleicht einige. Paulus erklärt es uns selbst. Er greift drei Stichworte auf. Und dann wird es uns klar.

Die prophetische Rede dient der Erbauung. Das ist das Erste. Was meint Paulus damit? Wir alle gehen unseren Weg durch die Woche. Wir alle erleben im Alltag so viele Dinge und Situationen. Und dabei gibt es für uns an verschiedenen Stellen Momente, die nicht so einfach sind. So manches bringt uns aus dem Tritt. Spannungen mit anderen Menschen bedrücken. Misserfolg und Scheitern können tief deprimieren. Aber auch schlicht die tägliche Arbeit kann einen auslaugen. Und so brauchen wir es immer wieder, dass wir auferbaut werden, neue Kraft zum Leben bekommen, ermutigt werden für den Alltag. Und deshalb brauchen wir eine klare Botschaft mit konkreten Schritten, die etwas mit unserem Leben zu tun hat. Also wiederum: Klartext.

Um Klartext geht es aber auch bei dem zweiten Stichwort, das Paulus anspricht. Doch dieses Stichwort ist für uns gar nicht so angenehm, bringt es doch Herausforderungen mit sich: Ermahnung. Das ist etwas, was wir nicht so gerne an uns heranlassen. Denn da haben wir den Eindruck: Jetzt wird’s unangenehm. Aber auch hier geht es letztlich wiederum um die Sprache der Liebe. Es geht darum, einander zu helfen, dass man nicht auf Abwege gerät. Die Ermahnung hat einen sehr diakonischen Akzent. Wenn wir einander auf liebevolle Weise im Blick haben – also nicht im Sinne von Kontrolle, sondern in der sensiblen Wahrnehmung -, dann geht es auch darum, dem Nächsten zu helfen, dass er nicht in etwas hineinrutscht, sich selbst schadet oder sich so verhält, dass es einfach ungut für ihn und die Gemeinschaft ist. Ermahnung kann mitunter schmerzhaft sein, aber sie will das Beste. Sie will bewahren und helfen. So stehen wir einander bei.

Und damit sind wir auch beim dritten Punkt, den Paulus nennt: Tröstung. Enttäuschungen, Verletzungen und Verluste bringen uns aus der Bahn. Und da ist es ganz wichtig, dass wir einander beistehen und in Liebe begleiten. Auch hier ist Sensibilität gefragt. Es geht nicht um eine Aufdringlichkeit, sondern um das Angebot der Begleitung. Ich setze mich mit Dir in die Grube Deiner Trauer. Und ich halte es auch aus, wenn uns da die Worte fehlen. Aber Du bist mit Deiner Not nicht aus dem Blick. Du darfst Dich anvertrauen. Du bist nicht allein. Das sind Worte, die wir aus dem Munde Gottes kennen, aber die wir ebenso aussprechen dürfen.

Paulus charakterisiert uns die prophetische Rede in diesen drei Strichworten: Erbauung, Ermahnung und Tröstung. Sie alle lassen sich zusammenfassen in dem Wort „Liebe“. Es ist die Sprache Gottes.

Wir wollen eine lebendige Gemeinde? Wir wollen Begeisterung? Wir wollen spüren, dass der Glaube etwas mit unserem Leben zu tun hat? Dann lasst uns die Sprache Gottes, die Sprache der Liebe sprechen. Erbauen, ermahnen und trösten wir einander in dieser Liebe. Dann gehen wir ganz konkrete Schritte. Und dann wird auch einer, der noch fremd ist, der die christliche Gemeinschaft von außen betrachtet, entdecken, dass er hier das finden kann, was für sein Leben Halt, Erbauung, Trost und Leben geben kann. Das mag verbunden sein mit der Erkenntnis, dass das bisherige Leben Kopf steht. Aber es lohnt sich.

Wir wollen eine lebendige Gemeinde? Dann bringen wir uns ein mit dem, was uns von Gott geschenkt ist, was uns mitgegeben ist. Achten wir aber auf die Harmonie. Einen schönen Klang vernehmen wir nur, wenn das Orchester miteinander und aufeinander abgestimmt spielt. Aber dann ist auch jeder und jede wichtig.

Beten wir darum, dass der Heilige Geist uns und unsere Gemeinde immer wieder neu verwandelt zu neuer Lebendigkeit und Begeisterung, und lasst uns in Harmonie dies ausstrahlen, dass Menschen neugierig werden.

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg