07.02.2021 Sexagesimae

07.02.2021 Sexagesimae



Predigt: Lukas 8:4-15 NLB

4 Eines Tages kam eine große Menschenmenge aus vielen Städten zusammen, um Jesus zu hören. Er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: 5 »Ein Bauer ging aufs Feld, um zu säen. Als er die Saat auf seinem Feld ausstreute, fielen einige Samenkörner auf einen Weg, wo sie zertreten wurden, und die Vögel kamen und pickten sie auf. 6 Andere Körner fielen auf eine dünne Erdkruste mit felsigem Untergrund. Diese Saat ging zwar auf, verdorrte aber, weil Feuchtigkeit fehlte. 7 Andere Samenkörner fielen in die Dornen, die schnell wuchsen und die zarten Halme erstickten. 8 Wieder andere fielen auf fruchtbaren Boden. Diese Samenkörner wuchsen heran und brachten eine hundertfache Ernte.« Nach diesen Worten rief er: »Wer hören will, der soll zuhören und begreifen!« 9 Seine Jünger fragten ihn, was das Gleichnis zu bedeuten habe. 10 Er entgegnete: »Euch ist es erlaubt, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu wissen. Allen anderen aber werden sie in Gleichnissen verborgen erzählt, damit sich erfüllt, was in der Schrift steht: `Sie sehen, was ich tue, aber sie nehmen es nicht wirklich wahr; sie hören, was ich sage, aber sie verstehen es nicht.´[1] 11 Das Gleichnis hat folgende Bedeutung: Die Samenkörner sind Gottes Botschaft. 12 Der Same, der auf den festgetretenen Weg fiel, steht für Menschen, die die Botschaft zwar hören, aber dann kommt der Teufel, raubt sie ihnen wieder und verhindert, dass sie glauben und gerettet werden. 13 Mit dem felsigen Boden sind jene gemeint, die die Botschaft freudig aufnehmen. Aber wie bei jungen Pflanzen in einem solchen Boden reichen ihre Wurzeln nicht sehr tief. Eine Weile glauben sie zwar, aber wenn Schwierigkeiten kommen, wenden sie sich ab. 14 Der von Dornen bewachsene Boden meint Menschen, die Gottes Wort zwar hören und annehmen, sich aber durch die Verpflichtungen, den Reichtum und die Zerstreuungen des Lebens schon bald wieder davon ablenken lassen. Auf diese Weise gelangt nichts zur Reife. 15 Der gute Boden dagegen steht für verlässliche, aufrichtige Menschen, die Gottes Botschaft hören, an ihr festhalten und durch ihre Beständigkeit viel Frucht hervorbringen.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

Wir leben in bewegten Zeiten. Vieles läuft nicht so, wie wir es uns wünschen. Manches beunruhigt. Und wir sehnen uns nach Orientierung, nach einem Weg in die Zukunft, nach einer Perspektive und einem Halt zum Leben. Es sind nicht nur die großen Fragen und Probleme unserer Zeit. Es sind nicht nur die Pandemie, der Klimawandel, die Flüchtlingsströme, die Zerrissenheit der Gesellschaft vielerorts auf dieser Welt oder gar mancherlei Kriegsregionen. Auch im ganz persönlichen Leben gibt es immer wieder Situationen, die uns ins Schlingern bringen. Und dann suchen wir nach Antworten, nach Wegweisung und nach Zuversicht für unseren Weg.

Damit unterscheiden wir uns in unseren Tagen nicht so sehr von den Menschen zur Zeit Jesu. Wieder einmal hören wir davon, dass eine große Menschenmenge zu Jesus kam. Und das hatte seinen Grund. Diese Menschen waren auf der Suche. Denn es gab mancherlei Probleme, Sorgen und Nöte in ihrem Leben. Und sie wollten Worte hören, die ihnen Orientierung und Halt geben. Und da haben sie von Jesus, seinen Worten und Taten gehört. Und deshalb haben sie sich aufgemacht, um bei ihm zu sein und von ihm das zu empfangen, was sie für ihr Leben benötigen.

Und was macht Jesus? Jesus erzählt wieder einmal ein Gleichnis. Er macht den Menschen und auch uns etwas in bildhafter Sprache anschaulich. Und er gebraucht dazu Bilder aus dem täglichen Leben der Menschen, also etwas, was ihnen Tag aus Tag ein vor Augen stand. Es mag sein, dass für uns das Bild heute nicht mehr so naheliegend ist, weil es in unserer Zeit anders gemacht wird. Aber dennoch ist es gut, diese Bilder an uns heranzulassen.

Anders als in den meisten Gleichnissen spricht Jesus dieses Mal nicht vom Reich Gottes, nicht von der zukünftigen Welt bei Gott. Denn es geht ihm ganz konkret um das hier und jetzt, um die konkrete Situation, dass Menschen vor ihm stehen, die in diesem Augenblick etwas für ihr jetziges Leben haben möchten.

Jesus führt uns einen Bauern vor Augen, der sein Feld bestellt. Dabei geht es auf den ersten Blick um einen ganz normalen Vorgang. In der damaligen Zeit ging der Landwirt mit einem umgehängten Beutel über das Feld und verstreute den Samen. Unsere Bauern machen das heute mit schwerem Gerät. Sie brauchen nicht mehr mühsam das ganze weite Feld abzulaufen. Und trotzdem geht es um ein und denselben Vorgang. Der Samen soll auf das Feld gelangen.

Nun macht uns das Gleichnis aber Probleme. Da fragen wir uns vielleicht: Was ist denn das für ein Bauer? Kennt der sein Feld nicht? Was soll das? So wird er doch nie zu einem optimalen Ergebnis kommen! Er streut den Samen einfach überall hin und scheint gar nicht auf den Untergrund zu achten. Es wäre doch nur zu logisch, nur dorthin zu säen, wo es garantiert auch ordentlich wächst.

Doch hier möchte Jesus etwas deutlich machen. Und hier ist etwas grundlegend anders als in der Landwirtschaft. Denn bei einem Gleichnis müssen wir uns auch fragen, worauf die Bilder bezogen sind. Und da erkennen wir nun das Wirken Gottes. Denn der Bauer ist hier ein Bild für Gott. Und er spricht zu den Menschen. Er teilt sein Wort an uns aus. Und dabei geht es ihm um alle Menschen. Er möchte niemand auslassen. Alle Menschen sollen und dürfen die frohe Botschaft, das Evangelium hören. Und deshalb kann es auch keine Einschränkung geben, weil Gott keinen Menschen übersehen oder vernachlässigen möchte. Seine Liebe zu uns Menschen ist so umfassend groß.

Doch das kennen wir auch: Wenn wir in unserer Zeit Menschen von  der Bibel erzählen, dann winken viele ganz schnell ab. Das ist langweilig, vollkommen veraltet. Das hat nichts mit meinem Leben zu tun. Und auch wir selbst müssen zugeben, dass es so leicht viele andere Dinge geben kann, dass wir in Beschlag genommen werden und vieles andere der Bibel vorziehen. Da rutscht man so schnell hinein. Und in der Tat stellt sich ja die Frage: Weshalb sollen wir zur Bibel greifen? Oder: Warum sollen wir in den Gottesdienst gehen und auf die Lesungen hören? Was ist daran so bedeutend?

Jesus möchte uns zeigen, dass das Wort Gottes eine große Kraftquelle für unser Leben ist, dass es uns Orientierung und Wegweisung, Zuversicht und Halt gibt. Hier finden wir Trost und Ermutigung, Stärkung und Wertschätzung. Doch wie kann das sein? Wie kann Gott so zu uns reden? Im Johannesevangelium im sogenannten Johannesprolog, ganz am Anfang hören wir: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Und wir sahen seine Herrlichkeit.“ Hier steckt das Geheimnis drin. Gott wird Mensch. Er begibt sich auf unsere Ebene, um zu uns sprechen zu können, um unseren Verstand und unser Herz zu erreichen. Und wenn wir sein Wort, seine Botschaft an uns Menschen vernehmen, dann können wir etwas von der umfassenden Schönheit sehen, die Gott uns schenken will. Er zeigt uns das Bild einer heilen Welt, so wie es sein soll. Und dieser Vorgeschmack auf seine Zukunft mit uns Menschen, die möchte uns ermutigen und aufbauen. Denn hier liegt unsere Zuversicht.
Doch Jesus ist sehr nüchtern. Er weiß darum, wie wir Menschen ticken. Und das gilt durch alle Zeiten so. Das ist keinesfalls ein Problem unserer Tage. Das war schon damals so. Wir Menschen sind ganz verschiedene Typen. Wir sind mit unterschiedlichsten Dingen beschäftigt. Wir öffnen oder verschließen uns manchem. Und das kann ganz verschiedene Ursachen und Gründe haben. Und so ist es auch mit dem Wort Gottes.

Und so erweitert Jesus in seiner Auslegung des Gleichnisses für seine Jünger das Bild vom säenden Bauern. Und er wechselt die Blickrichtung. Jetzt ist nämlich nicht mehr der Landwirt im Blick, sondern der Boden, auf den der Samen fällt. Und hier unterscheidet Jesus vier Typen von Böden. Dabei haben drei dieser Bodentypen ihre Probleme. Das, was man jetzt mit der Beschaffenheit beschreiben kann, ob da Fels ist, ob es Disteln gibt oder ob es sich um verdichteten Straßenbelag handelt, bei all diesen drei Bodentypen handelt es sich im übertragenen Sinne um Faktoren, die das Wirken des Wortes Gottes in und an den Menschen behindern. Und das können wir in das tägliche Leben übertragen. Da gibt es diejenigen Menschen, die sich innerlich verschließen, die dem Wort Gottes keinen Raum geben, die sagen, dass das nichts für sie ist. Da gibt es diejenigen, die sich von ihren Problemen und Nöten bestimmen lassen und nur um diese kreisen, so dass sie gar nicht aufnahmebereit sind. Da sind diejenigen, die sich an ihrem Reichtum erfreuen und meinen, dass das Leben immer so weitergeht. Und sie sind ganz auf die Fragen dieser Welt ausgerichtet und bedenken nicht, dass das Leben mehr braucht, dass es eben auch Einschnitte geben kann. Und so zeigt Jesus bildlich Situationen auf, wie das Wort Gottes keinen Raum im Leben gewinnen kann.

Einzig das gute Land ist fruchtbar und lässt aufblühen. Und damit sind diejenigen gemeint, die offen sind für Gottes Wort, die sich ansprechen lassen und das auch in das tägliche Leben umsetzen können.

Doch da stellt sich nun ganz konkret auch die persönliche Frage an uns selber: Was für ein Boden sind wir? Sind wir offen für Gottes Wort? Lassen wir uns von  ihm ansprechen? Sind wir bereit unser Leben zu verändern? Oder bereitet uns diese Frage schon Probleme? Ja, an dieser Frage merken wir schon, dass es gar nicht immer so leicht ist, sich einem Boden zuzuordnen. Auch wir benötigen es immer wieder, dass das Wort Gottes ausgesät wird. Denn wir können heute dieser und morgen ein anderer Boden sein. Und es ist gut, wenn uns das Wort Gottes immer wieder dazu bereitet, dass wir ein guter Boden sein können.

Was können wir also tun, wenn wir dieses Evangelium heute hören. Ich denke, dass wir ein paar Schritte uns immer wieder in unserem Alltag vornehmen können. Und dazu gehört als Erstes: Nehmen wir uns ganz bewusst Zeit für Gottes Wort. Und wenn wir uns diese Zeit nehmen, dann ist es wichtig, dass wir erst einmal innerlich still werden. Denn somit bereiten wir den Boden, dass wir hören können. Und das kann ganz schlicht sein. Wir müssen nicht gleich ein großes Pensum durchnehmen. Es reicht, wenn wir einen Abschnitt der Bibel auf uns wirken lassen. Und da können wir heute Nachmittag auch noch einmal das Evangelium vom aussäenden Bauern uns vornehmen. Und dann ist der nächste Schritt, dass wir es auf uns wirken lassen. Also: Nicht jetzt hab ich’s gelesen. Und dann geh ich gleich wieder zu etwas anderem. Nein, lass es wirken! Und dann bete über diesem Wort. Du kannst Gott ganz konkret ansprechen und ihn darum bitten, dass dieses Wort etwas mit Dir macht. Und das bedeutet: Lasst uns das Wort leben. Nimm es mit in Deinen Alltag und gib ihm dort Raum.

Jesus spricht von der Frucht, die auf dem guten Boden wächst. Die Landwirtschaft macht uns deutlich: Frucht bedeutet Leben. Eine Frucht kann uns gut schmecken. Und sie gibt uns Kraft. Sie stärkt uns für die Aufgaben. Und genau das möchte Gottes Wort mit uns machen. Es gibt uns Kraft, Zuversicht und Wegweisung für den Weg durch die Zeit. Und es lässt uns nicht bei uns stehen bleiben. Wenn wir nur an das denken, was uns bedrückt oder ärgert, dann kreisen wir nur um uns selbst, dann bleiben wir verschlossen. Gottes Wort möchte uns aber aufschließen, aufrichten und befreien. Es möchte uns den Blick schärfen für das, was das Leben gelingen lässt. Und somit eröffnet es uns eine Gemeinschaft, die trägt und die getragen ist von dem, der uns den Weg zeigt, der uns anspricht und uns bezeugt: Kein Mensch ist bei Gott verloren oder vergessen. Alle sind wertvoll. Deshalb lasst uns aus Gottes Wort leben.

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg