06.01.2021 Epiphanias

06.01.2021 Epiphanias

Predigt: Jesaja 60:1-6

1 Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! 2 Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. 3 Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. 4 Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt, kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arm hergetragen werden. 5 Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. 6 Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.


Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

Diese Weihnachtszeit fällt komplett aus dem Rahmen. Alle gewohnten Abläufe, alle Rituale zu diesem Fest scheinen durchkreuzt. Und so sind viele Menschen auch enttäuscht oder betrübt. Es fällt auf, dass am Telefon manch einer außergewöhnlichen Gesprächsbedarf hat. Das mag ein Zeichen für Einsamkeit in diesen Tragen sein. Vielen Menschen scheint gerade in dieser Zeit einiges zu fehlen. Ohne die gewohnten Wege ist das Leben unberechenbar und trist geworden. Dunkelheit macht sich breit in dieser Welt. Und das nicht nur bei uns und in unserer Umgebung. Die Pandemie ist in manches Leben eingebrochen und bedroht Leben und Existenz. Trauriges Abschiednehmen von lieben Menschen überschattet darüber hinaus diese Zeit. Und auch in der weiten Welt sieht es nicht rosig aus. Die Konflikte und die Notlagen in vielen Regionen dieser Welt überschatten das Leben unzähliger Menschen. Menschen sind auf der Flucht, leiden unter Krieg, Krankheit und Hunger. Welche Zukunft, welche Perspektive kann uns in diesen Tagen aufblicken lassen?

In uns tragen wir eine tiefe Sehnsucht, eine Sehnsucht, die durch alle Zeiten der Geschichte Menschen in sich getragen haben. Und diese Sehnsucht spüren wir auch aus den Worten des Prophetenbuches Jesaja heraus. Aber unsere Sehnsüchte allein verändern das Leben in dieser Welt nicht. Unsere Sehnsüchte allein lassen es nicht hell und klar, fröhlich und licht werden. So bestimmt uns heute ein Wort ganz besonders: „Mache dich auf!“ heißt es bei Jesaja. Und dieses „aufmachen“ das können und dürfen wir in doppeltem Sinn verstehen. Die grundlegende Antwort auf unsere Sehnsüchte können wir nur erfassen, wenn wir dieses „aufmachen“ für uns ganz konkret nehmen, wenn wir uns auf diese Aufforderung einlassen.

„Aufmachen“, das ist ein innerer Vorgang in unserem Leben, in unserem Herzen. Denn nur wenn wir die Botschaft an uns heranlassen, wen  wir unser Herz, unser Leben, unser Denken und Fühlen für diese Botschaft öffnen, dann haben wir auch die Möglichkeit, in dieser Welt etwas anderes zu sehen und zu entdecken als die Dunkelheit und Finsternis, die sich über das Leben legen wollen. Der lebendige Gott möchte uns aber heerausführen aus dieser depressiven und bedrückenden Stimmung und Sicht der Dinge. Deshalb gilt es ganz entschieden, sich innerlich aufzumachen, sich zu öffnen.

In fernem Lande waren einst an einem Königshof weise Menschen, Menschen, die forschten. Und sie forschten offenbar nicht nur, weil das ihr Beruf war, sondern weil sie auch persönlich ein Interesse hatten, dass ihre Sehnsüchte des Lebens eine Antwort erhielten. Und diese Menschen- wir nennen  sie die Weisen aus dem Morgenland – oder auch Heilige drei Könige – sahen einen außergewöhnlichen Stern. Und sie spürten: Hier liegt eine Antwort auf ihre Fragen. Hier ist etwas entscheidendes Geschehen. Hier ist eine Antwort auf unsere Sehnsüchte zu finden. An diesen Weisen sehen wir, dass sie sich aufgemacht hatten. Sie waren offen für die Botschaft, für das, was Gott ihnen und allen Menschen zeigen wollte. Und deshalb, weil sie offen waren für die Botschaft, deshalb machten sie sich auch äußerlich auf.

Die Weisen machten sich auf den Weg. Sie blieben nicht dort, wo sie waren, wo sie standen. Und das bedeutet auch für uns: Wenn wir uns mit unseren Sehnsüchten nach Veränderung geöffnet haben, dann gilt es auch, sich aufzumachen. Nicht stehen zu bleiben. Nicht auf der Stell zu treten. Nicht immer um die eigenen Sorgen und Probleme zu kreisen. Wenn wir uns nach Veränderung sehnen, dann müssen wir uns auch aufmachen, und wenn der Weg noch so weit ist. Auf den Weg machen, das bedeutet, sich fortbewegen von den bedrückenden Fragen, von den belastenden Akzenten des Lebens. Das heißt zwar nicht, dass mit dem Aufbruch gleich alles weg ist, dass alles sich spontan verändert. Wir brauchen eben eine Wegstrecke, eine Zeit, um am Ziel anzukommen. Und auf diesem Weg sind viele Schritte nötig, nicht nur Schritte des schlichten Gehens, sondern auch Schritte des Lebens, konkrete Schritte der Veränderung, Schritte der Vergebung, der Entlastung, der Vorfreude auf das Neue.

Und dann hören wir eine weitere Aufforderung: „Hebe deine Augen auf und sieh umher.“ Wenn  wir unseren Weg nur bedrückt gehen und den Kopf hängen lassen, nur nach unten schauen, dann haben wir keine Perspektive, dann sehen wir nicht, was um uns herum geschieht, dann bleiben wir nur bei uns, kreisen um unsere eigenen Interessen und Gedanken. Somit kommen wir kaum vorwärts. Somit bleiben wir zu sehr dem Alten, der dunklen Welt verhaftet. Aber der Prophet ruft dazu auf, aufzublicken. Aufschauen meint eine n neue Perspektive zu bekommen, eine neue Sicht, einen neuen Weitblick.

Vom Aufschauen beflügelt liefen die Weisen immer weiter, suchten weiter und fanden schließlich den Stall bei Bethlehem. Das war kein geradliniger Weg. Er führte sie auch mal in die falsche Richtung, zum Hof eines machtbesessenen Herrschers, der nur an sich und seinen Profit dachte. Aber sie spürten, dass dort nicht das Licht ist. Sie spürten die Finsternis dieser Welt in diesen prunkvollen Hallen.

Nun aber an diesem ärmlichen Stall angekommen, war ihnen klar, dass der Stern sie hierhin führen wollte. Und sie traten ein. Und sie sahen das Kind. Mitten in dieser Armut strahlte es hell. Hier ist das Leben, das wahre Leben. Hier kommt uns Gott ganz persönlich entgegen. Hier ist er uns ganz nah. In der Armut und Schwachheit begegnet uns der lebendige Gott, der das geknickte Rohr nicht aufgibt, der diese Welt nicht aufgibt. Er kommt in unsere Dunkelheit. Er möchte uns, unser Leben verändern und mit und durch uns dazu wirken, dass es in dieser Welt Licht wird.

Die Weisen haben ihre Augen erhoben. Und sie sehen den Mensch gewordenen Herrn. Sie sehen die Menschen, die sich in diesem Stall einfinden. Und das sind ganz unterschiedliche Menschen. Maria und Joseph sind da. Menschen wie Du und ich. Menschen, die ihre Sorgen und Nöte haben, die sich aber freuen können an einem neuen kleinen Leben. Und da sind die Hirten. Menschen, die aus ihrer Armut gekommen sind, Menschen, die keine rosigen Zeiten erleben, die nichts vorzuweisen haben, die aber spüren: Hier sind wir angenommen. Hier sind wir wertgeschätzt. Ja, und sie, die Weisen sind da. Menschen, die von einem Königshof stammen, die den Reichtum kennen, aber auch die Armut und Erkenntnis, dass Reichtum eben nicht wirklich reich macht, sie suchen nach dem, was wirklich trägt, was wirklich halt gibt, was dem Leben einen Sinn gibt. Und sie finden die Antwort auf ihre Fragen in dem Kind. Und sie sehen, dass  diese Botschaft aller Welt gilt, ihnen die von Ferne, aus reichem Hintergrund gekommen sind, und denen, die aus der Nähe, aber aus der Armut sich aufgemacht haben. Gott möchte verändern. Er möchte uns Hoffnung, Zuversicht, Geborgenheit und Trost schenken.

Das Geheimnis aber ist, dass sich alle Menschen, die sich im Stall zusammenkommen, aufgemacht haben. Sie haben sich den Verheißungen Gottes geöffnet. Und sie haben sich auch ganz konkret auf den Weg gemacht, um das Geheimnis zu ergründen. Und dieser Blick in den Stall hat ihr Leben verändert. Freude erfüllt ihr Leben. Sie haben Weihnachten nicht als Zuschauer betrachtet. Sie haben nicht aus der Sicht eines Kritikers darauf geschaut. Sie haben sich vielmehr hineinnehmen lassen in das Geschehen. Sie haben sich anrühren lassen von der göttlichen Zuwendung und Liebe. Und sie haben das, was sie hatten, mitgebracht. Das Evangelium spricht von den Weisen, die Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke mitbrachten. Der Prophet malt uns ein Bild von einer großen Menschen schar, die nur Gold und Weihrauch bringen. In jedem Fall geht es darum, dass die Gaben etwas mit unserer Befreiung von dunklen Gedanken und Akzenten zu tun haben.

Wir alle kennen die Weisen mit ihren Gaben. Das führen uns die Sternsinger in jedem Jahr wieder vor Augen. Letztlich bringen sie ihr Leben zu Jesus. Das Gold steht für den Reichtum, für die königliche Macht. Sie geben alles, was sie haben, alles, was in dieser Welt beeindrucken kann, zur Krippe. Sie legen es Jesus zu Füßen. Und sie drücken damit aus: Hier liegt der einzig wahre König. Bei ihm ist aller Reichtum und alle Macht, mag er auch noch so klein und schwach aussehen. Aber dadurch, dass die Weisen das Gold ihm geben, drücken sie aus: Wir haben das Leben letztlich nicht in Händen. Unser Halt ist bei Gott. Er gibt uns Perspektive und Zukunft. Wenn wir allein ihn haben, dann benötigen wir nichts anderes mehr.

Dazu kommt der Weihrauch. Er ist Ausdruck für die Gottesbeziehung. Unsere Gebet steigen auf wie Weihrauch zum  Herrn. Die Weisen erkennen an, dass diese tiefe, innere Verbindung zum Vater hier bei ihm, dem Kind in der Krippe ist. Der Vater und der Sohn sind eins. Da ist nichts Trennendes dazwischen zu bringen. Und es ermutigt dazu, dass wir unsere Gebete Jesus bringen. Durch ihn sind wir mit Gott verbunden. Durch ihn stehen wir in Beziehung mit dem lebendigen Gott.

Jesaja lässt die Myrrhe aus. Und doch ist sie wichtig. Die Myrrhe kennzeichnet das Leiden, die Nöte, alles, was unser Leben bedrückt. Die Weisen bringen Jesus Myrrhe. Und somit bringen sie alles Belastende und geben es an ihn ab. Das ist ein Ausdruck der Befreiung durch Jesus. Er ist der Retter. Christ der Retter ist da, Er macht uns frei. Und zugleich ist hier bereits das Kreuz angezeigt. Er nimmt alles Leid, alle Schuld, alle Schmerzen, alle Sorgen und Nöte mit ans Kreuz, damit sie dort sterben und keinen Bedeutung mehr für uns haben.

Diese grundlegende Befreiung unseres Lebens führt, wenn wir es für uns annehmen, zu einer neuen Freude, zu einer Lebensfreude, die uns getrost vorangehen lässt. Die Begegnung mit Jesus verändert. Und das brachte die Hirten dazu, dass sie voll Lob, fröhlich singend und Gott lobend zurückgingen in  ihren Alltag, der zwar nicht leichter geworden ist, aber doch leichter zu leben ist. Und die Weisen gehen auch zurück. Aber nicht den gleichen Weg. Sie meiden den Weg derer, die nur an sich denken, auf Macht bauen und letztlich nur Angst und Schrecken verbreiten. Die Weisen gehen der Weg der Gerechtigkeit, damit das Licht sich in der Welt ausbreiten kann.

Weihnachten, Epiphanias, das Kommen des Herrn in die Welt gibt uns und unserem Leben eine neue Richtung. „Sie werden alle kommen, Gold und Weihrauch bringen, und des Herrn Lob verkündigen.“ Wer durch die Begegnung mit Jesus Befreiung erfahren hat, der wird verkündigen, der wird darüber freudig reden, was Gott getan hat.

Warum sollten also wir die Botschaft verkündigen? Weil der Blick auf Jesus unser Leben verändert. Weil Gott uns in Jesus berührt und unser Leben ganz neu ausrichtet.

Wozu führt uns diese Begegnung mit Jesus? Wozu führt uns diese Befreiung? Es sind zwei grundlegende, Leben verändernde Aspekte: Wir werden in das Lob Gottes geführt. Wir freuen uns über Gottes Erscheinen (Epiphanias). Und wir freuen uns daran, mit ihm in Beziehung zu treten, Gottesdienst zu feiern. Und wir bekommen einen neuen Blick auf die Dinge dieser Welt. So vieles verfinstert das Leben. So vieles belastet. Aber die Begegnung mit Jesus führt uns den Weg der Gerechtigkeit. Und somit werden wir zu Lichtträgern, die das Licht des Lebens zu den Menschen bringen, die unter den Belastungen dieser Welt leiden. Das ist Verkündigung: Gottesdienst und Leben.

Geben wir Jesus unser Leben! Lassen wir uns von ihm verändern! Kommen wir zu ihm mit unserem Gebet, unseren Leiden, Sorgen und Nöten! Er macht uns frei.

„Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt.“ Bleiben wir nicht bei dem Alten, das bedrückt, sitzen! Gehen wir die neuen Schritte des Lebens, weil der, der gekommen ist, unser Leben, dazu frei macht.

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg