03.04.2021 Karsamstag

03.04.2021 Karsamstag



Predigt: 1. Petrus 3:18-22

18 Denn auch Christus hat einmal für die Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führte; er ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist. 19 In ihm ist er auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis, 20 die einst ungehorsam waren, als Gott in Geduld ausharrte zur Zeit Noahs, als man die Arche baute, in der wenige, nämlich acht Seelen, gerettet wurden durchs Wasser hindurch. 21 Das ist ein Vorbild der Taufe, die jetzt auch euch rettet. Denn in ihr wird nicht der Schmutz vom Leib abgewaschen, sondern wir bitten Gott um ein gutes Gewissen, durch die Auferstehung Jesu Christi, 22 welcher ist zur Rechten Gottes, aufgefahren gen Himmel, und es sind ihm untertan die Engel und die Gewalten und die Mächte.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

„Hinabgestiegen in das Reich des Todes.“ So bekennen wir im Glaubensbekenntnis.
Der Karsamstag ist ein eigentümlicher Tag. Er wird von einer merkwürdigen Stille geprägt. Das Drama von Karfreitag ist vorüber. Jesus ist am Kreuz gestorben. Der Leichnam wurde in ein Grab gelegt. Das Grab wurde verschlossen. Es herrscht Stille. Aus und vorbei, so scheint es. Niemand ist mehr zu sehen. Die Meute der Schaulustigen hat sich verzogen. Das, was es zu sehen gab, hat man gesehen. Die Show ist vorüber. Nun kann man wieder woanders hingehen. Erledigt hat sich die Angelegenheit Jesus von Nazareth für die Verantwortlichen im Volk wie auch für die einfachen Leute. Abgehakt. Das brauchen wir nicht mehr. Den brauchen wir nicht mehr. Der hat nichts mehr mit unserem Leben zu tun. Knallhart ist das Leben. Der Vorhang ist gefallen. Wenden wir uns wieder anderem zu.

Nur für die kleine Schar der Freunde Jesu ist es nicht so gewesen. Sie waren schockiert. Sie konnten nicht fassen, was sich ereignet hat. Sie waren innerlich aufgewühlt. Und das waren sehr verschiedene Gefühle: Schmerz, Trauer, Wut, Sprachlosigkeit. In ihnen ging es wohl drunter und drüber. Sie hatten den Blick für die Zukunft verloren. Und auch die Worte Jesu scheinen aus ihrem Gedächtnis entflogen zu sein. „Ich werde den Tempel abreißen und in drei Tagen wieder aufrichten.“ Nein, diese Worte scheinen so fremd, so unverständlich, so leer. Andere haben sich nun in den Häusern zurückgezogen, um das Fest zu begehen. Aber den Freunden Jesu war nicht mehr nach Fest zumute. Was soll’s überhaupt noch? Das Leben hat seinen Sinn verloren. Trauer, Schmerz, Niedergeschlagenheit, das steht im Raum. Aber das ist nichts für eine Zukunft.
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Karsamstag – und was machen wir? Wir stehen zwischen den Zeiten. Gestern noch der Blick aufs Kreuz, das Sterben Jesu, die ganze Dramatik. Und morgen, da wartet auf uns etwas anderes. Das wissen wir als Christinnen und Christen. Wir sind ja nicht in der Lage der Freunde Jesu. Die hatten ja noch keine Ahnung, wie es ausgehen wird. Aber wir wissen um den Ostermorgen. Wir freuen uns schon wieder auf dieses Fest mit seiner Freude und seinen fröhlichen Bräuchen. Aber was ist heute, am Karsamstag? Grabesruhe! Nichts ist! Das Schauspiel nimmt sich eine Auszeit! Doch das ist keine Erholung. Wir spüren diese eigentümliche Spannung zwischen Karfreitag und Ostern. Und wir können eigentlich nicht viel tun, nur abwarten. Karsamstag ist ein Tag, den man eigentlich streichen könnte! Oder?

„Hinabgestiegen in das Reich des Todes.“ Dieser Satz aus dem Glaubensbekenntnis klingt immer wieder nach. Was will er uns sagen? Worauf will er uns hinweisen? Was ist daran so wichtig?
Karsamstag ist nicht der Tag der Grabesruhe. Das ist er nur für diejenigen, die meinen, dass am Karfreitag alles aus war. Das ist nur etwas für diejenigen, die meinen, jetzt gibt dieser Jesus endlich Ruh. Aber von wegen!

„Hinabgestiegen in das Reich des Todes.“ Dieser Satz zeigt uns, dass Jesus keineswegs untätig war. Und das heißt dann auch, dass er nicht tot im Grab lag und keine Wirkung mehr hatte.

Der Karsamstag richtet seinen Blick auf einen Teil der Geschichte dieser Welt, der für uns so leicht aus dem Blickfeld gerät. Da war doch etwas vor Jesus. Da gab es doch auch schon Menschen seit Anbeginn der Welt. Jesus nutzt diese Zeit zwischen Karfreitag und Ostern. Er ist hinabgestiegen in das Reich des Todes. Und dort begegnen ihm all die Menschen, die nicht auf Gott hören wollten, all die Menschen, die auch nie etwas von ihm erfahren haben, all die Menschen, die in ihrem Leben gescheitert sind. Konkret macht es der 1. Petrusbrief an der Zeit des Noah. Da war einer, der einfach ein großes Schiff baute. Und die Leute machten sich lustig über Noah. Weit und breit war das Meer nicht zu sehen. Aber Noah baut ein Schiff, die Arche. Noah war schon ein komischer Vogel. Und er sprach auch noch davon, dass er einen Auftrag von Gott habe. „So ein Spinner“, dachten die Leute. „Wir wollen lieber das Leben genießen.“ Die Katastrophe kam und die vielen ertranken in ihrer Gottlosigkeit.

Doch nun können wir staunen! So ist Gott. So eine große Liebe hat er zu den Menschen, dass er selbst die Verlorenen nicht aus dem Blick verliert. Und das will auch uns die Augen öffnen. Manchmal sind wir resigniert und sagen über andere: Aus denen wird nichts. Die sind halt so. Da kann man nichts machen. Das ist vergebliche Liebesmüh. Und dann geben wir diese Menschen auf. Sollen sie mir doch gestohlen bleiben. Wir schreiben diese Menschen ab. Anders Jesus. Er bringt die frohe Botschaft, das Evangelium sogar in die Katakomben der Toten. Diejenigen, die im Gefängnis ihrer Verbitterung und ihrer Lieblosigkeit gefangen sind, diejenigen, die die Ketten des Todes eingesperrt haben, diejenigen dürfen die Botschaft von der Befreiung hören. Selbst die Toten dürfen noch Jesus kennenlernen. Ja, sie haben noch eine Chance.

Jesus hat sich, hat sein Leben geben aus reiner Liebe zu uns Menschen, damit wir leben können, damit wir eine Zukunft haben. „Er hat für unsere Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er euch zu Gott führte.“

Karfreitag stellt uns das Kreuz vor Augen. Hier sehen wir unsere Rettung aus allen Verstrickungen und Bindungen unseres Lebens. Der Tod des Gerechten befreit uns von unserer Ungerechtigkeit.
Doch am Karfreitag beginnt nach dem 1. Petrusbrief bereits ein Stück von Ostern. „Er ist getötet nach dem Fleisch, aber lebendig nach dem Geist.“ Wer aus einer anderen Perspektive schaut als die Welt, der entdeckt im Kreuz bereits das neue Leben. An Karsamstag erhalten die Verstorbenen bereits eine Chance für eine Zukunft bei Gott. „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“ ist eine Station des göttlichen Heilsweges.

Die Sintflut zu Noahs Zeiten und die Rettung der acht Seelen, die in die Arche gingen, ist ein Zeichen für die Taufe. Das Wasser tötete das alte Leben, das gottlose Leben. Mit Noah begann eine neue Etappe der Menschheitsgeschichte. Das neue Leben in dem Bund Gottes mit Noah. Es geht um unsere Beziehungen, und vor allem um unsere Beziehung zu Gott. Bei Noah bricht neues Leben bereits an. Und mit der Auferstehung Christi an Ostern wird klar: Das neue Leben verbindet uns mit Gott. Als Getaufte sind wir bereits hineingestellt in diese neue  Beziehung. Denn der, der auferstanden und aufgefahren ist in die Herrlichkeit Gottes, der verbindet Himmel und Erde.

Da berühren sich Himmel und Erde, wo die Taufe konkret werden kann, nämlich wenn das Alte, das bindet, das gefangen nimmt, untergeht, damit wir ein reines Gewissen haben können, eine ungetrübte Beziehung zu dem lebendigen Gott.

Karsamstag bereitet eine Verbindung zwischen Verstorbenen, gegenwärtig Lebenden und der Ewigkeit bei Gott. Denn Gottes Heilsplan umfasst alle.

So öffnet der Karsamstag auch unseren Blick für diejenigen, die wir schon abgeschrieben haben, die wir ins Reich des Todes verortet haben. Er gibt uns einen neuen Blick der Liebe Gottes. Denn Gott gibt niemanden auf.


Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg