01.04.2021 Gründonnerstag

01.04.2021 Gründonnerstag



Predigt: Matthäus 26:17-30 LÜ

17 Aber am ersten Tag der Ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wo willst du, dass wir dir das Passalamm zum Essen bereiten? 18 Er sprach: Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das Passamahl halten mit meinen Jüngern. 19 Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und bereiteten das Passalamm. 20 Und am Abend setzte er sich zu Tisch mit den Zwölfen. 21 Und als sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. 22 Und sie wurden sehr betrübt und fingen an, jeder einzeln zu ihm zu sagen: Herr, bin ich's? 23 Er antwortete und sprach: Der die Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich verraten. 24 Der Menschensohn geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht; doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. 25 Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: Bin ich's, Rabbi? Er sprach zu ihm: Du sagst es. 26 Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. 27 Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; 28 das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. 29 Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich. 30 Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.


Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

Auf dem Weg zum Osterfest sind wir bei einer Station angekommen, die von vielen Menschen übersehen wird. Am Abend dieses Tages läuten die Glocken. Und dann verstummen sie für einige Stunden. Der Gründonnerstag markiert etwas sehr Entscheidendes auf dem Weg der Passion Jesu. Und so werden wir an diesem Tag hineingeführt in einen Raum, in dem etwas Bewegendes geschieht.

Für die Christenheit durch alle Zeiten ist das Abendmahl zu einem zentralen Aspekt des Glaubens geworden. Und doch erleben wir in unseren Tagen, dass viele Menschen immer weniger damit anfangen können. So gibt uns der Gründonnerstag die Möglichkeit, ganz neu in das Geheimnis dieses Mahles einzutauchen.

„Ich will das Passamahl bei Dir halten.“ Über diesen Satz lesen und hören wir leicht hinweg. Auf den ersten Blick haben diese Worte auch noch nichts mit dem eigentlichen Mahl zu tun. Es geht ja erst um die Vorbereitung. Jesus sendet seine Freunde aus. Sie sollen zu einem Menschen gehen und ihm diese Worte sagen. Und es sind Worte, die auch uns ganz direkt und persönlich betreffen können. Lassen wir diese Worte doch auf uns wirken. Jesus sagt zu uns: „Ich will bei Dir Mahl halten! Ich will bei Dir ein Fest feiern!“ Wie reagieren wir darauf? Das ist eine sehr konkrete Frage. Und sie kann uns nicht kalt lassen. Sagen wir: „Ja, Jesus, komm zu mir und feiere bei mir?“ Oder suchen wir nach Ausflüchten, weshalb es uns nicht passt? Auf jeden Fall geht es hier auch um die innere Vorbereitung auf das Fest. Und dazu gehört eben auch, dass wir uns dem Geschehen öffnen.

Aber vielleicht fragen wir: Was hat das alles mit mir zu tun? Was bringt mir das Abendmahl? Da führt uns das Stichwort „Passamahl“ zu dem entscheidenden Punkt. Beim Passafest erinnern sich die Juden an die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten. Und das war eine Befreiung aus schweren Zeiten, aus Frondienst und Plagerei. Und wenn wir das Abendmahl feiern, dann geht es immer auch um Befreiung. Auch wenn wir in unseren Tagen nicht wie die Israeliten unter den Ägyptern zu leiden haben, so blicken wir doch auch auf unsere Belastungen. Wir alle haben in unserem Leben manche Last zu tragen. Misserfolg, Enttäuschungen, Krankheit, Verstimmungen, das Zerbrechen von Beziehungen und Dingen, mancherlei Schuld, vieles kann uns in unserem Leben bedrücken und gefangen nehmen. Wir werden so leicht zu Gefangenen unserer Stimmungen und Lagen. Und wir sehnen uns nach Befreiung. Wir wollen wieder aufatmen. Wir wollen leben.

„Ich will bei Dir Mahl halten.“ Jesus klopft an, an die Tür unseres Herzens. Er möchte zu uns kommen, mitten hinein in unser Leben, mitten hinein in all unsere Sorgen und Nöte. Jesus möchte die Fesseln und die Bindungen lösen, die uns einengen. Er möchte uns Freiheit schenken.

Von daher ist es gut, ihm die Türen zu öffnen, die Tür unseres Herzen, dass er eintreten kann in unser Leben. Und dabei kommt Jesus nicht allein. Er bringt seine Freunde mit. Und das macht uns deutlich, dass wir in Beziehungen leben, in Beziehungen mit ganz verschiedenen Menschen. Wir alle sind nicht auf uns allein gestellt in dieser Welt. Und gerade, wenn uns manches durcheinander bringen möchte auf dem Weg durch die Zeit, dann ist es gut, Freunde zu haben, Menschen, mit denen wir verbunden sind.

Christliche Gemeinschaft ist eine lebendige Gemeinschaft. Es ist eine große Gemeinschaft. Sie besteht durch die Zeiten hindurch. Und so nehmen wir Teil am Tisch des Herrn, an dem wir gerade auch seine Freunde, seine Jünger finden. Sie, diese zwölf Menschen, die damals mit Jesus zu Tisch waren, sind sehr unterschiedliche Gestalten, Menschen ganz verschiedener Mentalität, Menschen aus sehr unterschiedlichem Hintergrund. Und wenn wir Jesus in unser Leben lassen, dann merken wir diese Vielfalt auch bei uns. Denn auch wir selber spiegeln die Vielfalt dieser Freunde Jesu wider. So können auch uns diese Worte Jesu am Tisch erschrecken: „Einer von Euch wird mich verraten.“ Ganz gleich, wer ich bin, welche Mentalität in mir steckt. Jeder von uns trägt auch so einen Judasanteil in sich. „Bin ich’s?“ fragen die Jünger erschrocken. Alle können sich den Verrat zutrauen. Und auch wenn wir dieses Thema nicht so an uns heranlassen wollen, weil es uns unangenehm oder peinlich ist: Keiner von uns kann sich sicher sein, dass wir alles perfekt machen würden. So leicht können wir auf eine falsche Spur geraten. So leicht können wir schwach werden. Und dann stellen wir erschüttert fest, wie wir gescheitert sind.

Deshalb möchte Jesus uns immer wieder neu hineinnehmen in die Gemeinschaft an seinem Tisch. Dort haben wir Platz. Dort gehören wir hin. Selbst wenn wir uns aus irgendeinem Grund nicht für würdig halten, Jesus lädt uns ein. Denn er möchte uns befreien. Er möchte uns unsere Lasten, unsere Schwachheit nehmen. Er möchte, dass wir guten Mutes aufblicken können. Deshalb hat das Abendmahl ganz entscheidend etwas mit uns und unserem Leben zu tun.

Jesus feierte mit seinen Freunden das Passamahl. Alles fing ganz normal an. Doch dann setzte Jesus neue Akzente. Er nahm Brot in die Hand und dankte erst einmal für diese Gabe. Brot ist eine Gabe des Lebens. Es ist Grundnahrungsmittel. Und es ist gut, sich darüber bewusst zu werden, dass es nicht selbstverständlich ist. Danken ist ein schöner Schritt im Alltag, der uns bewusst macht, dass wir beschenkt sind. Nach dem Dank beginnt Jesus, das Brot zu teilen. Das, was wir haben, das haben wir nicht nur für uns. Teilen stiftet Gemeinschaft, es macht deutlich, dass wir zusammengehören. Und das bedeutet auch, dass wir einander tragen und füreinander sorgen.

Und dann sagt Jesus einen Satz, den wir bei jeder Abendmahlsfeier vernehmen: „Nehmet, esset, das ist mein Leib.“ Jesus gibt dem Brot eine neue Bedeutung. Er veranschaulicht, dass er sich für uns Menschen hingibt. Das Abendmahl richtet unseren Blick auf die Gemeinschaft. Wir gehören zusammen. Jesus schenkt sich uns. Er denkt nicht an sich. Er gibt sein Leben, damit wir leben können. Er gibt sich, damit wir frei werden können, frei von unseren Belastungen, unseren Niederlagen, unseren Enttäuschungen und Verletzungen. Seine Hingabe möchte uns zur Stärkung dienen. Er möchte, dass wir wieder aufblicken können, dass wir gestärkt und zuversichtlich den Weg in die Zukunft gehen können. Für uns und unsere dunklen Momente im Leben gibt sich Jesus. Er verweist damit auf das Kreuz. Aber mit dem Kreuz verbindet sich das Leben. Denn als Christen blicken wir von Ostern her. Somit sind auch die Worte, die Jesus über dem Kelch spricht, Worte der Befreiung. Wir sollen, wir dürfen trinken. Es ist nicht nur bloßer Wein. Jesus sagt, dass es sein Blut ist, im Hebräischen der Träger des Lebens. Wir empfangen Leben, sein Leben, das frei macht. Vergebung bedeutet, dass das Bindende und Belastende weggeben ist, dass es keine Rolle mehr spielen soll. Jesus möchte uns frei machen.

Doch dann sagt Jesus noch etwas. Er wird nicht mehr von dem Gewächs des Weistocks trinken. Er wird keinen Wein mehr zu sich nehmen. Was will er damit sagen? Ich denke, es geht nun um die Zwischenzeit. Am Ende aller Zeiten wird es das große Freudenmahl im Reich Gottes geben, also dort, wo es keine Schattenseiten mehr geben wird, dort, bei Gott, wo das Leben in Fülle sein wird.
Wir haben für diese Zwischenzeit, also gerade auch für den Weg unseres Lebens das Abendmahl als Wegzehrung. Wir dürfen immer wieder kommen. Denn wir leben in einer Welt, in der das Alte, das uns herunterziehen möchte, immer wieder aufbricht. Und deshalb ist es gut, regelmäßig in die Gemeinschaft mit Jesus und untereinander zu kommen, aus dieser Gemeinschaft zu leben. Im Abendmahl ist Christus anwesend. Er möchte uns befreien, damit wir bestehen können auf dem Weg durch die Zeit.

Am Ende des Mahles gab es einen Lobgesang. Das Loblied ist ein Lied der Freiheit und der Freude. Gestärkt gehen wir wieder auf dem Weg in den Alltag, wenn wir den Zuspruch der Befreiung beim Abendmahl empfangen haben. Nach dem freudigen Lob geht der Weg also weiter. Jesus zieht mit seinen Freunden zum Ölberg. Dort wird es ernst. Auch wir werden weiterziehen. Vor uns liegt der Karfreitag. Vor uns und unserem Leben mag manches Schwere liegen. Aber wir gehen nicht allein. Christus ist mit uns. Er begleitet uns, auch auf den schweren Etappen unseres Lebens. Er selbst ist diesen Weg gegangen.

Wir stehen immer wieder im Spannungsfeld von Lobgesang und Ölberg. Das ist unser Leben. Diese Spannung gehört zum Leben dazu. Aber wenn wir auf das „Ich will das Mahl bei dir halten“, Jesus Raum in unserem Leben geben, dann können wir auch die Befreiung erfahren von dem, was uns herunterziehen möchte.

Essen und Trinken gehört zu unserem Leben. Wir brauchen es jeden Tag. Es sind die körperlichen Stärkungen im Alltag. Das Abendmahl ist das Mahl der Befreiung für unsere Seele auf dem Weg durch die Zeiten. Jesus lädt uns ein. Er möchte den Hunger nach Leben, nach befreitem Leben stillen. Noch sind wir in dieser Welt. Noch brauchen wir regelmäßig die Erneuerung der geistlichen Stärkung beim Abendmahl. Jesus ist uns vorangegangen. Und er wartet auf uns, damit wir dann mit ihm am ewigen Festmahl teilhaben werden.

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg