Osternacht

Osternacht

2. Timotheus 2:8-13

8 Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten, aus dem Geschlecht Davids, nach meinem Evangelium,  9 für welches ich leide bis dahin, dass ich gebunden bin wie ein Übeltäter; aber Gottes Wort ist nicht gebunden.  10 Darum dulde ich alles um der Auserwählten willen, auf dass auch sie die Seligkeit erlangen in Christus Jesus mit ewiger Herrlichkeit.  11 Das ist gewisslich wahr: Sind wir mit gestorben, so werden wir mit leben;  12 dulden wir, so werden wir mit herrschen; verleugnen wir, so wird er uns auch verleugnen;  13 sind wir untreu, so bleibt er treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen.

Liebe Freunde,

die Osternacht ist für die Christinnen und Christen der ersten Jahrhunderte der entscheidende Ostergottesdienst gewesen. Zugleich war es der Gottesdienst in dem die Taufbewerberinnen und Taufbewerber zur Taufe kamen. Stimmungsgeladen vollzieht die Osternacht den Weg von der Dunkelheit zum Licht, von der Botschaft von Karfreitag und Karsamstag zum Ostermorgen, von der Niedergeschlagenheit und Trauer, der Verzweiflung und Aussichtslosigkeit hin zum neuen Leben. Dieser Weg zeichnet sich auch in dem Taufgeschehen ab. Durch das Untertauchen wird der alte Mensch, der Mensch, der aus den Strukturen dieser Welt mit all ihren Begrenzungen kommt, ersäuft und es steht auf ein neuer Mensch, der Mensch, der den Weg Christi mitgeht in der Nachfolge, zu neuem Leben.

Die Gemeinde am Ostermorgen vollzieht den Stimmungswandel von der Perspektivlosigkeit zum österlichen Lobpreis nach. Sie geht den Weg Jesu von Tod und Grablegung hin zum neuen Leben mit. Die Osternacht mündet also in einen großen Lobpreis, in Heiterkeit und Freude. Ja, Christus hat die Macht des Todes besiegt. Wir sind auf der Seite des Siegers. Wir dürfen einstimmen in die große Freude.

Doch wie ist das gerade in diesem Jahr? Können wir wirklich so vorbehaltslos einstimmen in den österlichen Jubel? Die Welt leidet unter Corona. Unzählige Menschenleben sind weltweit zu beklagen. Stehen wir nicht im Zeichen großer Trauer? Herrscht nicht mehr die Karfreitagsstimmung vor? Ist Jubel überhaupt angesagt?

Hier kann uns der 2. Timotheusbrief eine Hilfe sein. Dem Apostel selber dürfte nicht zum Jubeln zu Mute sein. Er sitzt im Gefängnis. Er muss um sein Leben bangen. Und das alles auch noch wegen dieser Botschaft von Christus! Aber anstatt zu resignieren, anstatt im Dunkel der Trübsal zu bleiben, ruft er dazu auf, am Bekenntnis festzuhalten. Und diejenigen, denen er das zuruft, die haben Ähnliches zu befürchten, wie er, nämlich, dass sie um ihres Glaubens willen um ihr Leben zu fürchten haben. „Halt im Gedächtnis Jesus Christus.“ Jetzt, gerade in diesen schweren Zeiten abzuspringen, das bringt nicht weiter. Damals meinten einige, dass sie ihr Leben retten könnten, wenn sie ihren Glauben verleugnen. Aber was hatten sie damit gewonnen? Und wenn wir heute angesichts der Pandemie uns von Gott abwenden, was ist dann unsere Perspektive? Bleiben wir dann nicht bei Karfreitag stehen? Bleiben wir dann nicht im Dunkel dieser Welt?

Der Apostel ermuntert: „Halt im Gedächtnis Jesus Christus!“ Und er begründet dies auch: Er ist aus dem Geschlecht Davids. Er ist derjenige, auf den alle gewartet haben. Er ist derjenige, der die lang ersehnet Befreiung schenkt. Er ist der Messias.  Doch wie zeigt sich nun diese Befreiung? Die Römer waren ja nicht verschwunden. Israel war keineswegs zu alter Größe und Stärke aufgestiegen. Aber das ist auch die falsche Blickrichtung. Der Apostel weiß sich gebunden im Gefängnis. Äußerlich betrachtet ist das alles andere als Freiheit. Aber Gottes Wort ist nicht gebunden. Gottes Wort ist Ausdruck von Freiheit. Gottes Wort schenkt Befreiung von Depression und Perspektivlosigkeit. Ja, Gottes Wort bekennt: Christ ist erstanden! Und damit verbindet sich die Perspektive über diese Welt hinaus. Hier ist alles vergänglich. Aber mit dem Auferstandenen haben wir eine Zukunft.

Der Apostel schließt mit einem Hymnus. „Sind wir mit ihm, mit Christus, gestorben, so werden wir mit ihm leben.“ Keine Bedrängnis, mag sie noch so groß sein, kann uns diese Hoffnung nehmen. Ja, wir werden sogar mit Christus herrschen. Das sind gewaltige Aussagen.

Gottes Wort ist nicht gebunden. Die ersten drei Jahrhunderte waren Zeiten der Verfolgung. Christinnen und Christen haben vieles erlitten, nicht selten den Tod. Aber Tertullian bekennt: „Das Blut der Märtyrer wurde zum Same der Kirche.“ In einem zusammenbrechenden Römischen Reich, in einer bröckligen diesseitigen Welt, überzeugte die Botschaft der Christen von Gottes ewigem Reich. Weil Christus auferstanden ist, gibt es einen Halt und eine Perspektive über die Infragestellungen dieser Welt hinaus.

Eine alte, fromme Frau hatte dem Pfarrer gesagt, dass sie einen besonderen Wunsch habe. Sie möchte so begraben werden, dass sie in der einen Hand die Bibel hält, in der anderen einen Löffel. Als der Pfarrer sie fragte, was sie mit dem Löffel beabsichtige, antwortete sie: Beim Essen wusste ich immer anhand des Löffels: Das Beste kommt zum Schluss. Und so möchte ich in dem Wissen sterben, dass das Beste zum Schluss kommt. Ich freue mich auf die Ewigkeit.

Das soll nun nicht heißen, dass wir aus dieser Welt fliehen wollen. Aber zu wissen, dass am Ende dieser Welt nicht das endgültige Ende steht, sondern das Beste noch kommt, möchte uns ermutigen. So wie der Apostel uns ermutigen möchte, an der Botschaft der Osternacht, des Ostermorgens festzuhalten: „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!“

Diesen Lobpreis dürfen wir auch in dieser Nacht anstimmen, auch in  diesen Zeiten von Corona. Geduld brauchen wir wohl. Manches müssen wir entbehren. Aber das Leben mit Zukunft gilt uns allezeit. Frohe Ostern!

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg