29.03.2020 Sonntag Judica

29.03.2020 Sonntag Judica

Predigttext: Hebräer 13:12-14

12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.  13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen.  14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Liebe Freunde,

in diesen Tagen ist ein Stichwort immer wieder zu hören: Quarantäne. Wir denken sofort an Corona und an die Auswirkungen für unser Leben. Selbst die Bundeskanzlerin musste sich nun in Quarantäne begeben. Zumindest für einige Zeit ist man dann komplett aus dem täglichen Leben herausgenommen und wartet allein und isoliert ab, was geschieht. Und dazu kommt das Hoffen und Bangen, dass man sich nicht angesteckt hat, oder wenn es doch passiert ist, dass es einen glimpflichen Verlauf nimmt. Aber was bedeutet dieses Wort „Quarantäne“ eigentlich? Übersetzt heißt es 40 Tage. Und damit stehen wir ganz plötzlich in der Passions- und Fastenzeit. Auch das sind 40 Tage. Und diese Zeit wurde eingeläutet mit dem Evangelium von der Versuchung Jeus in der Wüste: 40 Tage wurde er vom Teufel versucht, heißt es in den Evangelium. Doch gegen alle Entbehrungen und Versuchungen stand das Hören auf Gottes Wort. Den Willen des Vaters tun, darum ging es Jesus von Anfang an. Und das hatte Konsequenzen. Das führte ihn hinaus nach Golgatha, ans Kreuz.

Ortswechsel ist angesagt! Das wollen uns die Worte aus dem Hebräerbrief nahelegen. Doch wie können wir einen Ortswechsel vornehmen, wenn doch unsere Bewegungsfreiheit so sehr eingeschränkt ist. Ich denke, dieser Ortwechsel muss sich in unserem Inneren vollziehen. Hier muss sich etwas ändern. Ortswechsel bedeutet in diesem Fall Veränderung der Sicht, Veränderung des Lebens.

„So lasst uns nun zu ihm hinausgehen.“ Dazu werden wir aufgefordert. Doch das ist keine leichte Entscheidung. Das ist kein einfacher Weg. In Jerusalem damals waren alle auf Feiern ausgerichtet. Das Passahfest bestimmte das Leben. Und wer möchte nicht gerne feiern? Immer wieder werden auch in unseren Tagen Menschen dabei beobachtet, die trotz aller Verbote zusammenkommen und feiern wollen. Dann heißt es immer wieder: Die haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Damals wie heute wollen Menschen nicht der Realität ins Auge blicken. Andere ziehen sich wiederum ängstlich zurück, verkriechen sich und sehen nur ihr Leben zusammenbrechen. Doch gerade in diesen, unseren Zeiten ist ein Ortswechsel angesagt. Machen wir uns auf, verlassen wir die scheinbar so sicheren Schutzräume unserer Städte und Häuser, gehen wir hinaus, vor die Stadt. 

Golgatha heißt der Ort, an dem wir schließlich Jesus treffen. Hoch oben am Kreuz, an einem Ort, der schauriger nicht sein kann. Golgatha, das bedeutet Schädelstätte. Das ist ein Berg, der einem Totenschädel ähnlich aussehen soll. Er war zugleich der Müllberg von Jerusalem. Es war der Ort, wo man alles abgeladen hat, was man nicht mehr gebraucht hat, den ganzen Unrat, ja, auch die Menschen, die man nicht mehr haben wollte. Es ist eine große Schmach, dort draußen sein Lebensende zu finden. 

Weshalb sollten wir also dort hinausgehen? Warum ist dieser Ort so von Bedeutung?

Zu allen Zeiten wollen Menschen gerne feiern und das Leben genießen. Und das ist schön, solange alles glatt läuft. Doch Schwachheit, Krankheit, Elend und Not können wir ebenfalls zu allen Zeiten erfahren. Und dann brauchen wir Beistand, Geborgenheit, Zuwendung und Trost. Gerade in unseren Tagen wird dies nun in besonderer Weise konkret. Da, wo wir merken, dass es nicht mehr so weitergehen kann wie bisher, spüren wir, dass andere Akzente tragen müssen. 

„Wir haben hier keine bleibende Stadt.“ Die Corona-Krise führt uns radikal vor Augen, wie sehr wir unser Leben nicht in Händen haben, wie rasch die Dinge, auf die wir so oft in unserem Leben bauen, ins Wanken kommen können. In dieser Welt gibt es nichts, was auf immer fest steht. Unser Leben stößt an seine Grenzen. 

Aber gerade dort, wo wir am Boden sind, dort, wo wir den Eindruck haben, es geht nicht mehr so weiter wie bisher, dort möchte Gott uns ganz nah sein. Wenn wir uns aufmachen nach Golgatha, dann gehen wir den Weg ganz nach unten, den Weg, der Leid, Tod und Schmach sieht. Und das ist gut so. Denn dann sehen wir auch die Sorgen und Nöte unserer Mitmenschen, dann können wir nicht bei uns stehen bleiben, sondern erkennen, dass wir miteinander gefragt sind. Das Kreuz zeigt uns, dass gerade hier, wo Leid und Tod zu siegen scheinen, Gott ganz gegenwärtig ist. Er ist mit uns. Er ist für uns. Er gibt alles für uns. Und so können wir auch, wenn wir uns aufmachen nach Golgatha den Müll unseres Lebens dorthin bringen, all das, was unser Leben belastet, was uns die Freude am Leben nimmt, was uns bedrückt und herunterziehen möchte. All das ist vergänglich. All das können wir abgeben, abgeben bei dem, der für uns durch die Tiefen des Lebens gegangen ist.

Wenn wir uns aufmachen und nach Golgatha ziehen, dann vollzieht sich auch ein entscheidender Blickwechsel. Gerade der Blick auf das Kreuz eröffnet uns eine Zukunft. Denn das Kreuz ist ein Zeichen des Sieges. Es eröffnet uns eine Zukunft. Dort, wo mit Jesus das alte Leben gestorben ist, das Leben dieser Welt, geprägt von dem, was vergänglich ist, erkennen wir auch das Geheimnis des neuen Lebens mit Gott. Das Licht von Ostern scheint auch dort noch auf, wo wir uns in tiefster Dunkelheit der Welt einsam und verlassen fühlen. Mit dem Blick auf Ostern dürfen wir erkennen, dass wir eine Zukunft haben bei und mit Gott. Dieser Blick in die Zukunft lässt uns aber nicht untätig werden. Wer um den befreienden Blick auf das Kreuz weiß, wer weiß, dass hier bereits neues Leben aufleuchtet, der wird gerade auch in diesen Zeiten ganz besonders ein Herz für diejenigen haben, die Hilfe brauchen. Und wer nicht mehr große Dinge vollbringen kann, kann immer noch eines: Beten. Das Gebet vermag viel. 

Vierzig Tage war Jesus in der Wüste, in der Quarantäne. Das Gebet hat ihn getragen. Stehen wir zusammen im Gebet, zünden wir jeden Abend um 19 Uhr das Licht der Hoffnung an, vertrauen wir uns und unsere Lieben dem lebendigen Gott an, so sind wir auf dem Weg nach Golagtha und haben unseren Blick auf den gerichtet, der mit uns im Leiden ist, der aber zugleich uns das neue Leben eröffnet, uns trägt und Zuversicht schenkt.

Behüt‘ Sie und Euch Gott!

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg