17.01.2021 2. Sonntag nach Epiphanias Pfarrer Carsten Klingenberg

Glockengeläut aus der Rafaelkirche, Unterföhring

17.01.2021 2. Sonntag nach Epiphanias
Pfarrer Carsten Klingenberg

Predigt: Johannes 2:1-11

1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,

für viele Menschen in Deutschland gehört zum Jahreswechsel „Dinner for one“. Die hochbetagte Miss Sophie möchte ihren 90. Geburtstag feiern. Alles ist von Buttler James gut vorbereitet und hergerichtet. Einziges Problem ist, dass die vier Gäste, die in früheren Jahren zu den Geburtstagsfeiern eingeladen waren, nicht mehr dabei sein können, da sie nicht mehr leben. Dennoch ist für alle vier gedeckt. Und Buttler James muss zugleich alle vier Gäste spielen. Das hat dann auch Auswirkungen auf seinen Zustand, da die alkoholischen Getränke ihm mächtig zusetzen.

Im Netz habe ich nun eine überarbeitete Version des „Dinner for one“ gefunden. Die vier Gäste sind Admiral von Party, Lady Joy, Lady Hope und Mister Faith. Party, Freude, Hoffnung und Glaube! Das klingt nach einer erfüllten, fröhlichen Feier. Da scheint das ganze Leben präsent zu sein. Aber bedenken wir, wie im Original sind die vier Personen auch in dieser neuen Version nicht gegenwärtig. Auch hier muss der Buttler die Gäste mit spielen. Aber was ist eine Feier ohne Party, ohne Freude, ohne Hoffnung, ohne Glaube, ohne Vertrauen? Das klingt sehr traurig. Da scheint eher eine Welt zusammengebrochen zu sein. Da kann das Leben nicht so erfüllt und fröhlich sein.

Und irgendwie sind wir somit mitten in unserer Zeit. Corona bestimmt nach wie vor unser Leben. Viele Menschen können es nicht mehr aushalten, sich an die Regeln zu halten. Da wurde zum Jahreswechsel in Frankreich eine riesige Party gefeiert, die erst nach längerer Zeit von der Polizei aufgelöst werden konnte. Da machen viele einen Ausflug in die Bergregionen und erzürnen die dortigen Anwohner. Da können wir immer wieder auf der Straße beobachten, wie Menschen sich umarmen und nahe kommen. Und das ist ja auch verständlich. Da gibt es das Verlangen nach Anlehnung und Geborgenheit, nach Freiheit und Bewegung. Und wenn alles nicht sein kann, was wir sonst so gewohnt waren, dann fällt einem schon einmal die Decke auf den Kopf. Das Fehlen von Partys nimmt einem die Freude. Und das Fehlen von Freude nimmt die Hoffnung. Und das Fehlen von Hoffnung nimmt den Glauben und das Vertrauen. Eine Abwärtsspirale scheint das Leben zu bestimmen. Die Stimmung ist im Keller. Die Lebensfreude ist verflossen.

Genau so ein Phänomen führt uns heute das Evangelium vor Augen. Jesus ist mit seinen Jüngern bei einer Hochzeit. Und eine Hochzeit ist ein Fest, bei dem alle fröhlich und ausgelassen feiern wollen. Hochzeit, das meint eben eine stimmungsvoll hohe Zeit, eine Zeit, die nicht von den Sorgen des Alltags bedrückt ist. Und zur damaligen Zeit waren Hochzeiten sehr ausgiebige Feste. Mitunter war man eine Woche zusammen, um mit dem jungen Paar zu feiern. Alles war schon lange vorbereitet. Und es sollte ein wunderschönes Fest werden. Doch dieses Festgefüge ist bedroht von den kleinsten Pannen, die auftreten können. Wenn es Verstimmungen gibt, wenn es zu Unvorhergesehenem kommt, dann kann sich die Stimmung ganz schnell wandeln. Das ist auch heute so bei Hochzeiten. Aber das ist auch in unserem ganz normalen Leben so. So schnell können kleine Störungen unseren Alltag durcheinander bringen. Innerhalb kürzester Zeit kann sich das Blatt wenden und unsere Stimmung in den Keller rutschen. Doch was ist dann? Wie kommen wir wieder aus dem Keller heraus?

Bei der Hochzeit in Kana hat es eine Panne gegeben. Irgendwie ist der Wein ausgegangen. Und das ist keine Nebensache. Wein war damals ein Zeichen für Lebensfreude, für Ausgelassenheit, für Stimmung. Wenn es keinen Wein mehr gibt, dann meint das: Bei dieser Hochzeit war mit einem Mal dicke Luft, schlechte Laune. Hier war der Ofen aus. Bei der Party war der Stecker gezogen.  Das Fest des Lebens kam abrupt zum Ende. Trübsal wurde nun geblasen. Die Freude war erloschen und die Hoffnung ebenso. Und niemand schien Vertrauen, Glauben zu haben, dass da sich noch etwas ändern könnte.

Nur Maria hatte eine Ahnung. Und sie wird aktiv. Sie bringt Jesus wie in einem Gebet das Anliegen: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Es ist der Gebetsruf: „Herr, die Lebensfreude ist erloschen. Greif Du doch bitte ein und schenke Veränderung!“ Doch Jesus zieht nicht so richtig. Er will noch nicht. „Meine Zeit ist noch nicht da.“ Ja, seine Zeit scheint noch nicht da zu sein. Denn niemand (außer Maria) hat Vertrauen zu ihm. Niemand wendet sich an ihn. Noch sind alle in ihren dunklen Gedanken gefangen. Noch drehen sich alle um sich selber. Noch bestimmt nur die abgestürzte Stimmung die Herzen der Menschen. Sie sind noch nicht so weit, dass sich etwas ändern könnte. Und auch bei uns ist es oft so, wenn etwas schief gegangen ist. Dann sind wir zuerst verschlossen, ärgern uns über die Situation, über jemand anderen oder über uns selbst. Da fehlt uns der Blick über unseren Tellerrand hinaus. Und deshalb kann sich auch noch nichts ändern. Wir brauchen unsere Zeit, uns neu auszurichten, uns neu zu orientieren, uns neu zu öffnen.

In der Bibel wird immer wieder das Bild der Hochzeit gebraucht. Und es steht für die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Diese Beziehung kann zustande kommen, wenn wir uns ihm öffnen, wenn wir ihm Raum geben in unserem Leben, wenn wir auf ihn trauen. Und das macht deutlich, dass es auch um die Reihenfolge in unserem Leben geht. Nicht die Party soll an erster Stelle stehen. Denn das ist der anfälligste Punkt in unserem Leben. Jede Störung der Stimmung kann uns aus der Bahn werfen, uns die Lebensfreude und Lebenskraft nehmen. Deshalb kommt es zuerst auf das Grundlegende an. Und das ist der Glaube, das Vertrauen. Denn der Glaube vertraut auch in schweren Momenten darauf, dass Gott mit uns ist, dass wir nicht allein gelassen sind. Und aus diesem Vertrauen kann dann die Hoffnung wachsen, dass sich etwas ändern kann und wird. Und somit kommt wieder neue Freude ins Leben. Die Party ist dann die Dreingabe, die am Ende steht.

Doch wie kommt es zu dem Vertrauen?  Wie kommt es zu dem Glauben? Wie kommt es zu der Beziehung zu dem lebendigen Gott? Maria hat den wegweisenden Rat: „Auf ihn sollt ihr hören!“ „Was er sagt, das tut!“ Und das meint: Blickt weg von den Dingen, die Euch gefangen nehmen wollen! Werdet frei von den bedrückenden Gedanken und Stimmungen! Lasst Euch neue Impulse für Euer Leben geben!

In Kana bei der Hochzeit ließ Jesus Krüge füllen. Es waren sehr große Tonkrüge, die zur Reinigung dienten. Wenn ein Gast einen langen Weg über eine staubige Straße gekommen war, dann stand zuerst die Reinigung an, damit man erfrischt und unbeschwert an der Gemeinschaft teilnehmen konnte. Jesus ließ sechs dieser Tonkrüge mit Wasser füllen. Das war eine erstaunliche Handlung, waren doch die Gäste schon lange versammelt. Es kam doch keiner mehr daher.

Aber machen wir einen Gedankensprung. Paulus spricht einmal davon, dass wir Christinnen und Christen wie zerbrechliche, tönerne Krüge sind. Und wir werden mit Wasser gefüllt. In diesem Bild steckt das Geheimnis der Verwandlung. Das Wasser ist ein Zeichen für den Heiligen Geist. Und wenn in uns so zerbrechlichen Menschen der Heilige Geist wirken kann, wenn er uns erfüllen kann, dann geschieht hier eine Reinigung unserer Gedanken und unseres Lebens. Wir können ganz neu frisch werden, lebensfroh, zuversichtlich.

In Kana verwandelt sich das Wasser zu Wein. Neue Lebensfreude kann Raum gewinnen. Die Hochzeit ist gerettet. Aber was ist hier wirklich geschehen?
Jesus hat Unmengen Wasser zu Wein werden lassen. Das war so viel, dass es weit über die Hochzeit gereicht hätte. Jesus schafft hier eine Flatrate zum Saufen, mögen manche kritisch einwenden. Und das war bereits zu seiner Zeit so. Manche nannten ihn einen „Fresser und Weinsäufer“. Doch das geht am Kern vorbei.

Jesus rettet hier nicht einfach eine Bauernhochzeit. Ihm geht es nicht einfach nur um eine Party. Es geht ihm ganz grundlegend um das Leben, um ein erfülltes Leben, um ein Leben, das von der Zuwendung und Liebe Gottes bestimmt ist. Es geht ihm um ein „Dinner for one“, ein Fest zur Ehre Gottes. Wenn es keine Party mehr gibt in unserem Leben, wenn die Freude verschwunden ist, wenn die Hoffnung fehlt, dann ist es das erste, dass wir ganz neu Glauben und Vertrauen finden und Schritt für Schritt den Weg nach vorne angehen.

Und welche Schritte sind zu gehen? Was nehmen wir heute mit für unseren Weg in die kommende Zeit? Da sind zuerst die Worte von Maria: „Was er Euch sagt, das tut!“ Das bedeutet: Hört auf Jesus! Hört auf seine Botschaft! Aber wie kann ich das tun? Welche Schritte sind notwendig? Ich denke, dass es ganz einfache Schritte sind. Nimm Dir Zeit! Lese Dir das heutige Evangelium immer wieder noch einmal durch. Lass es auf Dich wirken! Mach Entdeckungen! Lass Jesus an Dich heran!

Und dann geh einen Schritt weiter: Fülle die Krüge mit Wasser! Lass das Wasser der Reinigung an Dich heran! Und frage Dich: Wo sind die Punkte in meinem Leben, die dunkel sind? Wo werden Vertrauen, Hoffnung und Lebensfreude betrübt und gebremst? Wage konkrete Schritte, Schritte des Abgebens, der Versöhnung, des Neuanfangs!  Es mag sein, dass das manchmal Mut braucht, Überwindung. Es ist nicht leicht, sich aus seinem Schneckenhaus heraufzubegeben. Da schwingt die Angst vor Verletzungen mit, die Sorge, sich eine Blöße zu geben. Und doch ist es ein ganz entscheidender Schritt der Stärke und der Heilung. Verletzungen und Trennungen, ungute Handlungen und Worte müssen nicht mehr belasten. Wo Jesus in das Leben treten kann, da wird neuer Wein Lebensfreude hervorrufen.

Und dann wirst Du staunen, wie sich Dein Leben neu füllt mit Vertrauen und Hoffnung, mit Freude und vielleicht auch noch mit Party. Lass Dein Leben zu einem „Dinner for one“ werden. Gib Gott die Ehre! Bereite ihm ein Fest in Dir! So können auch die Plätze der Gäste mit neuem Leben gefüllt werden. Nicht mehr die Abwesenheit von Glaube, Vertrauen, Hoffnung, Freude und Party müssen Dein Leben bestimmen und verfinstern. Neu gefüllt will Dir Gott ein Leben schenken, das ein Fest sein kann. Und selbst wenn die Party mal nicht sein kann, so geben die drei anderen Dir ein erfülltes Leben.

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg