16.05.2021 Exaudi

16.05.2021 Exaudi



Predigt: Johannes 7:37-39 LÜ
37 Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! 38 Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. 39 Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.


Liebe Mitchristinnen und Mitchristen!

„Durst auf Leben“ – mit diesen Worten warb ein Mineralwasseranbieter für seine erfrischenden Getränke. „Durst auf Leben“ – das kann viel heißen. Nicht nur, wenn es um erfrischende Getränke geht, sondern in vielen Bereichen haben wir „Durst auf Leben“. Durst kommt immer dann auf, wenn wir uns nach Lebendigkeit sehnen. Durst: Das bedeutet Sehnsucht nach Leben. Und das macht zugleich auch deutlich, dass wir gerade etwas brauchen, das uns wieder aufbaut und lebendig macht. Wer Durst hat, dem fehlt etwas. Ganz besonders deutlich wird dies in der Wüste. Dort können Menschen nicht lange ohne Wasser auskommen. Das Wasser ist lebenswichtig zum Überleben, zum Leben. Und wir alle sehnen uns immer wieder in den verschiedensten Lagen unseres Lebens nach dem lebendigen Wasser, nach dem, was den Durst unseres Lebens stillt. Manche Menschen verspüren einen Durst auf verschiedene Dinge, von denen sie meinen, dass das ihr Leben bereichert und lebendig macht. Manch ein Mensch hat einen steten Durst in sich, der sich von einer Sache zur nächsten hangelt. Da wünscht man sich etwas, und kaum hat man es, da bricht schon wieder der nächste Durst nach etwas auf. So gibt es Menschen, die ständig dabei sind, hinter etwas her zu hechten. Und ganz tief im Inneren ist da für uns alle diese Frage nach dem, was den Durst nach Leben stillt, was dem Leben einen Halt und Orientierung gibt. Wir rennen oft so vielem hinterher, weil wir meinen, dass es uns eben diesen Halt gibt, den wir brauchen. Und doch erkennen wir immer wieder, dass das dennoch nicht unseren Durst stillt.

Manch ein Mensch, der sich alles erarbeitet hat oder dem vieles zugeflogen ist, ist trotzdem nicht glücklich. Was helfen ein großes, schickes Auto, ein wunderbares Haus mit Garten, ein Ferienhaus, ein dickes Bankkonto, allerlei Luxusartikel, die besten Beziehungen in alle Richtungen, wenn man dennoch feststellen muss, dass das alles nicht bestehen bleibt, wenn’s mal wirklich zur Sache geht. Es gibt sehr reiche Menschen, denen es an echter Lebensfreude fehlt, die tief deprimiert sind, weil sie zwar alles haben, aber eben nicht „das“ Leben.

Und wie geht es uns ganz persönlich? Was ist mit unserem Durst nach Leben? Ein anderer Mineralwasseranbieter warb mit dem Slogan: „Dein Durst kann was erleben.“
Und damit sind wir ganz nah an der heutigen Botschaft. Denn unser Durst kann etwas erleben, wenn wir uns auf Jesus einlassen.

In den Worten aus dem Johannesevangelium begegnet uns heute zuerst eine Einladung. Jesus steht da und ruft: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!“ Auch das klingt wie ein Werbeslogan. Jesus ruft es den Menschen zu. Er bietet seine Botschaft fast wie ein Marktschreier an. Das zeigt uns, wie überzeugt er von seiner Botschaft ist. Aber vielleicht gibt es auch Menschen, die da eher zurückweichen. Wenn etwas geradezu aufdringlich erscheint, dann gehen sie lieber auf Nummer sicher.

Deshalb ist es gut, wenn wir uns erst einmal vorsichtig an diese Botschaft und diese Situation herantasten. Jesus ist in Jerusalem auf dem Laubhüttenfest. Und damit sind wir schon bei dem entscheidenden Punkt. Es ist Feststimmung. Und unser Leben soll und will ein  Fest sein. Es soll uns gut gehen. Wir wollen uns freuen. Und so waren auch damals viele Menschen nach Jerusalem gepilgert, um an diesem Fest teilzunehmen und sich in die freudige Stimmung mit hineinnehmen zu lassen. Auch hier steht der Durst nach Leben im Hintergrund.

Das Laubhüttenfest ist ein Erntefest. Ursprünglich waren die Laubhütten wohl auf den Feldern aufgestellt, um Schutz vor der Hitze der Sonne und einen Unterschlupf für die Nacht zu bieten in der Zeit der Ernte. Und das macht anschaulich, dass die Ernte zu einer Hitzeperiode erfolgt. Die Pflanzen sind herangewachsen, die Früchte sind nun reif. Aber es ist auch dürr geworden. Der Boden braucht für die nächste Ernte wieder Wasser. Er hat Durst, damit neues Leben heranwachsen kann. Zum Laubhüttenfest stehen also diese beiden Aspekte vor Augen: Der Dank für die Ernte, die Freude über die Lebensgrundlagen, die geschenkt sind, aber auch die Bitte, dass die Dürre nun nicht dem Boden die Grundlage für die nächste Phase nehmen möge, dass es wieder reichlich regnen möge. Somit wird der Durst nach neuem Leben aufgegriffen.

Zudem mag im Hintergrund die Erfahrung des Volkes Israel bei der Flucht aus Ägypten stehen. Man war aus der Sklaverei geflohen mit dem Ziel des gelobten Landes. Doch auf dem Weg dorthin galt es erst noch durch die Wüste zu kommen. Wüstenzeiten müssen auch wir im Leben immer wieder durchmachen. Da fehlt es dann an dem, was unser Leben lebendig macht. Da verspüren wir einen tiefen Durst nach Leben. Auf dem Weg durch die Wüste haben die Israeliten immer wieder diesen Durst gehabt, aber auch immer wieder erfahren, dass Gott mit ihnen ist.

Und so gilt diese Botschaft auch uns heute auf den Durststrecken unseres Lebens. Ganz gleich, was uns ermattet oder uns die Kraft nimmt, Jesus lädt uns ein: „Komm zu mir!“ Das ist schon eine herausfordernde Einladung. Denn diese Einladung bedeutet: Such nicht wo anders den Halt fürs Leben. Lass Dir nicht irgendwelche anderen Quellen anbieten. Komm einfach zu Jesus! Er allein gibt Dir, was Du benötigst. Komm mit Deinen Enttäuschungen! Komm mit Deinen Verletzungen! Komm mit Deinem Misserfolg! Komm mit Deiner Trauer! Komm mit Deiner Kraftlosigkeit! Komm mit Deiner Mutlosigkeit, Deinem Suchen und Deinen Sehnsüchten! Komm zu mir und trinke!

Jesus ist die Quelle des Lebens! Bei ihm bekommen wir, was wir brauchen. Bei ihm werden wir aufgebaut und aufgerichtet. Er schenkt uns die Freude, die Zuversicht, die Hoffnung und den Trost. Bei ihm finden wir Vergebung und Heilung unserer Seelen! Bei ihm finden wir Geborgenheit und Frieden. Er möchte unser Leben verwandeln. Er möchte aus Wasser Wein machen, damit die Festfreude uns wieder erfüllen kann, die Freude am Leben. Seine Einladung sagt: „Dein Durst kann etwas erleben!“

Doch da fehlt nun noch etwas. Und das ist für viele Menschen gar nicht so einfach. Es ist ein schlichter Schritt. Doch das ist auch ein Wagnis. Es ist ein Wagnis, sich auf Jesus einzulassen, ihm zu vertrauen, darauf zu setzen, dass er meine Sehnsüchte, meinen Durst nach Leben stillt. Aber Jesus sagt: „Wer an mich glaubt,…“ Das ist also die Voraussetzung. Wer auf Jesus baut, sein Leben auf ihn setzt, in ihm die Quelle des Lebens sieht, der wird erleben, dass sein Durst gestillt wird. Und darüber hinaus hat das auch noch Folgen. Jesus sagt: „Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“  Dabei ist dieser Satz im Griechischen nicht eindeutig. Die Ströme lebendigen Wassers können sich entweder auf Jesus oder auf uns beziehen. Doch ich denke, dass beides zusammengehört. Jesus ist die Quelle. Und wir können uns das wie bei einem Brunnen vorstellen. Es gibt Brunnen, bei denen oben in der Mitte das Wasser aus der Quelle kommt. Es fließt in eine Schale. Und wenn die Schale mit Wasser gefüllt ist, dann fließt das Wasser über den Rand hinaus in die nächste, darunterliegende Schale und so weiter. Wir empfangen also von Jesus das lebendige Wasser und gestärkt und ermutigt werden wir bewegt, diese Ermutigung weiterfließen zu lassen. Wer auf Jesus traut, der gibt das Geschenk des Lebens weiter. Wir können das Wasser des Lebens nicht einfach nur bei uns behalten. Das Wasser möchte weiterfließen. Es möchte uns bewegen, unsere Mitmenschen in den Blick zu nehmen. Und es öffnet unsere Augen, dass wir dieses Wasser weitergeben können, diese Begeisterung und Stärkung, die Vergebung und Heilung, die Zuwendung und Liebe.

Sich auf Jesus einzulassen, verändert unser Leben, unseren Lebensstil, unseren Blick. Aber es bedeutet auch zugleich, dass unser Durst gestillt wird. Unser Durst kann etwas erleben! Wir können etwas erleben. Wir können sehen, wie sich das Leben verändert, wie der Durst nach Leben gestillt wird. Dazu ist nur das eine nötig: Sich auf Jesus einzulassen, auf ihn und sein Wort zu hören und es zu leben.

Nun mag aber der Einwand kommen: Jesus – das ist doch alles schon so lange her. Was soll der mir heute, hier und jetzt bringen? Wir leben doch in einer ganz anderen Zeit. Heute gibt es doch ganz andere Probleme und Fragen. Heute sehnen wir uns doch nach ganz anderen Dingen.

Wirklich? Sind unsere Fragen und Probleme in der Tat so anders? Ich glaube nicht. Denn die zentralen Fragen sind doch die nach unserem Leben. Wie werden unsere Sehnsüchte gestillt? Da mag es äußerlich etwas anders aussehen. Doch die Fragen nach unseren Beziehungen. Die Fragen nach der Erfüllung unseres Lebens, nach einem Halt, die sind gleich geblieben. Und immer wieder kommen wir an unsere Grenzen. Wie gesagt: Für manche ist Jesus zu lange her. Doch da sagt uns heute Jesus etwas ganz Wichtiges. Aus der damaligen Sicht standen die entscheidenden Ereignisse noch aus. Aber wir blicken heute auf diese Ereignisse und dürfen wissen, was geschehen ist. Jesus spricht vom Heiligen Geist. Und dieser Heilige Geist ist derjenige, in dem der lebendige Gott allezeit immer und überall gegenwärtig ist. Wo auch immer wir stehen, was auch immer wir erleben, wie auch immer es uns geht: Jesus möchte unser Leben durch den Heiligen Geist verändern. Der Heilige Geist möchte uns begeistern. Er möchte uns neues Leben schenken, neues Leben, das nicht mehr an den Problemen dieser Welt vertrocknet. Bei ihm ist die Quelle für unser Leben.

„Durst auf Leben!“ Das haben wir alle. Und wir dürfen auch leben! Wir dürfen uns erfreuen an den angenehmen und schönen Dingen dieser Welt. Wir dürfen inmitten dieser Zeit leben und zugleich erfahren, dass wir einen Halt haben, der uns auch auf den schweren Wegstrecken trägt. Und wenn wir uns immer wieder neu auf Jesus einlassen, seinem Ruf folgen: „Komm zu mir und trink!“, dann kann unser Durst auch etwas erleben. Dann verändert sich unser Leben. Wir können frei werden vom Alten, vom Bedrückenden, vom Trennenden, vom Austrocknenden. Der Heilige Geist schließt uns an an die Quelle des Lebens. Er lässt uns neu leben, dass wir bestehen können in dieser Zeit.

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg